INTERNATIONALE CHRISTINE-LAVANT-GESELLSCHAFT
Gedanken für den Tag
Christine Lavant: Wissen und Erbarmen
Klaus Amann, Literaturwissenschaftler, zum 50. Todestag von Christine Lavant
5. Juni 2023, 06:56
Christine Lavants Eigenart und Stärke als Lyrikerin und als Erzählerin ist ihr unbestechlicher Blick auf diejenigen, mit denen das Schicksal es weniger gut gemeint hat.
Es ist ihre Welt und es sind ihre eigenen Erfahrungen und Empfindungen, über die sie schreibt. Sie weiß, wovon sie spricht, denn sie hat Armut, Leid und Krankheit von klein auf erfahren. Als Dichterin wurde sie mit Preisen und Ehrungen überhäuft, wurde von Ministern und Präsidenten hofiert - und übernahm doch nie die Vorstellungen und Sichtweisen ihrer bürgerlichen Freundinnen und Förderer. Christine Lavant bleibt zeitlebens Teil dessen, worüber sie schreibt. Die Basis dafür ist die Erfahrung am eigenen Leib, und eine beinah schon gespenstisch zu nennende Fähigkeit des sich Einfühlens in andere.
Ihr Blick auf die Menschen und die Welt ist ein Blick des Wissens und des Erbarmens. Und er schließt Selbstironie und Humor ganz selbstverständlich mit ein. Dem entspricht die unerhört freie und bewegliche, ja virtuose Form ihres Schreibens. Mit Christine Lavant beginnt die Literatur in Österreich nach dem Zweiten Weltkrieg. Wie mit Friedrike Mayröcker, Ilse Aichinger oder Ingeborg Bachmann.
Christine Lavant war eine sehr belesene, kluge und schlagfertige Frau. Zuweilen wohl auch ein bisschen berechnend und "durchtrieben", wie Thomas Bernhard, der mit ihr befreundet war, sie nannte (und der es wissen musste). Ich sehe darin eher soziale Kompetenz. Und sie war mitfühlend, hilfsbereit und großherzig. Lange hat jedoch das erbarmungswürdige Bild des leidgeprüften, vom Stricken lebenden, in seinen Gedichten mit Gott hadernden, kopftuchtragenden Weibleins vom Lande ihre öffentliche Wahrnehmung bestimmt.
Service
Christine Lavant, "Ich bin maßlos in allem", ausgewählt und kommentiert von Klaus Amann, Wallstein Verlag
Klaus Amann und Doris Moser (Hg.), "Christine Lavant. Werke in vier Bänden", Wallstein Verlag
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Wolfgang Puschnig
Bearbeiter/Bearbeiterin: Uli Scherer
Album: THINGS CHANGE / THE 50TH ANNIVERSARY BOX - WOLFGANG PUSCHNIG
Titel: Unspoken/instr.
Album: REMAINS OF THE DAY
Solist/Solistin: Uli Scherer
Länge: 05:50 min
Label: Universal 1720696 / 1720803 (3-CD-Set einzeln)