Konfrontation im Kosovo

6. Juni 2023, 13:00

Anfang des Jahres jährte sich die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo zum 15. Mal. Präsidentin Vjosa Osmani, die Regierung von Premier Albin Kurti, aber auch große Teile der als jung und optimistisch geltenden kosovarischen Gesellschaft feierten die Unabhängigkeit einmal mehr als "Erfolgsgeschichte" - auch wenn Europas jüngster Staat noch immer nicht von allen EU-Mitgliedern anerkannt wird. Serbien mit seinem autoritär regierenden Präsidenten Aleksandar Vucic betrachtet das Kosovo nach wie vor als serbische Provinz. Albaner:innen stellen die Mehrheit der etwa 1,9 Millionen zählenden Bevölkerung, aber vor allem im Norden des Landes leben auch viele Serb:innen.

Dort kam es vorletzte Woche zu gewaltsamen Ausschreitungen - Beobachter:innen zufolge sind es die schlimmsten Gewaltausbrüche seit Ende des Krieges 1999. Die serbische Mehrheit in drei Gemeinden hatte die Bürgermeister:innenwahlen boykottiert und will die albanischstämmigen Ortschefs nicht akzeptieren; es kam zu tätlichen Angriffen auf die kosovarische Polizei, die NATO-Schutztruppe KFOR, die seit Kriegsende für Stabilität in der Region sorgen soll, und die EU-Rechtsstaatsmission EULEX. Kosovos Polizei reagierte drastisch, versuchte sich gewaltsam Zugang zu den Gemeindeämtern zu verschaffen und setzte Tränengas ein. Dafür setzte es von Kosovos Partner:innen im Westen heftige Kritik. Serbien wiederum wird vorgeworfen, den Konflikt zu schüren - Belgrad hatte den Boykott von Staatssymbolen und Institutionen durch die serbische Minderheit im Kosovo unterstützt.
Dass Serbien eine weitere Eskalation und insbesondere eine offene Konfrontation mit der NATO zulässt, gilt weiterhin als unwahrscheinlich - auch wenn Vucic die Streitkräfte in "höchste Bereitschaft" versetzt hat. Der serbische Präsident ist indessen mit Massenprotesten gegen seine Politik konfrontiert. Nach zwei Amokläufen Anfang Mai in Serbien wirft ihm die Opposition unter anderem vor, für ein "Klima der Gewalt" in der Gesellschaft verantwortlich zu sein. Am Wochenende gingen in Belgrad wieder zehntausende Menschen auf die Straße.

Beim zweiten Gipfeltreffen der Europäischen Politischen Gemeinschaft am vergangenen Mittwoch versuchten europäische Regierungschefs zwischen Serbien und Kosovo zu vermitteln. Die USA haben die kosovarische Regierung scharf kritisiert und das Land unmittelbar von einer geplanten Militärübung ausgeschlossen. Am Samstag drohte auch die EU mit "Konsequenzen", wenn die beiden Länder keine wirksamen Schritte zur Deeskalation setzen würden.

Ob die Beitrittsperspektive überhaupt noch als Druck- bzw. Lockmittel wirkt, sei aber zweifelhaft, sagt der Politikwissenschafter und Zeithistoriker Florian Bieber. Die EU sei in der Region heute "weniger attraktiv und vor allem weniger real" geworden, sagte er schon im Jänner zu einer Tageszeitung. Florian Bieber ist auf die Balkanländer spezialisiert und leitet das Zentrum für Südosteuropastudien der Universität Graz. Mit Xaver Forthuber und unseren Hörer:innen diskutiert Florian Bieber über die Situation im Grenzgebiet von Serbien und Kosovo vor und nach der jüngsten Eskalation, über die Zukunft der KFOR-Mission, die innenpolitische Situation in den beiden Ländern, aber auch über die Außenpolitik der EU und die mögliche Rolle Russlands.

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Sendereihe

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• Xaver Forthuber