Zwischenruf

Ihr stört nie!

Harald Kluge, Pfarrer der reformierten Stadtkirche Wien, über sein Vatersein

Ist der Vatertag nicht eigentlich ein fader Tag? Nicht für mich, wenn ich ihn dazu nutze, übers Papasein nachzudenken.

Seit ich Papa bin, fühl ich mich manchmal wie Gott. Nicht weil ich wie ein tyrannischer Gottvater meine drei Töchter gottgleich herumschubse. Wer glauben Sie, schubst bei uns zuhause wen? Ich meine das Vatersein mehr so auf der Gefühlsebene. Seit der Geburt unserer ältesten Tochter Ruth kann ich nachvollziehen, wie Gott sich fühlen muss. Gott, ein liebender Vater, beziehungsweise eine liebende Mutter, sieht uns Menschen ja als geliebte Kinder. Gott freut sich über uns, wie dieser Vater, von dem Jesus im Evangelium nach Lukas, Kapitel 15, erzählt.

Er läuft seinem verloren geglaubten Sohn entgegen, fällt ihm um den Hals, busselt ihn ab und will sein Glück über das Wiedersehen mit seinem Sohn mit allen feiern. Der Vater macht dem Sohn hier keinerlei Vorhaltungen, bringt keine Anschuldigungen gegen ihn vor. Da gibt es nur die pure Liebe. Seit unsere Töchter Ruth, Ronja und Penny auf der Welt sind, erlebe ich das immer öfter. Da wird mir ums Herz manchmal ganz warm. Etwa wenn eine Tochter nach zwei Jahren der Starre und innerer Abgeschiedenheit endlich wieder Lebensfreude ausstrahlt und das Leben umarmen kann.

Es wird mir ums Herz ganz warm, wenn die andere Tochter nach eineinhalb Jahren im Krankenhaus wieder festen Boden unter den Füßen findet und lacht und blödelt und vor Lebenslust überschäumend nicht zu bändigen ist.

Gottes Liebe ist so wunderbar, heißt es in einem Kindergottesdienstlied.
Gottes Liebe ist so wunderbar, so wunderbar groß …
So hoch, was kann höher sein - Nichts!
So tief, was kann tiefer sein - Nichts!
So weit, was kann weiter sein - Nichts!

Nichts hält mich davon ab, etwa beim Einsetzen der Wehen meiner Frau kurz vor der Geburt unserer ersten Tochter, mit ihr sofort ins St. Josef Spital zu fahren. Auch keine Konfirmationsfeier. Bei der zweiten Geburt, der von Ronja, war es ein ökumenischer Gottesdienst zur gleichen Zeit. Auch diese Gottesdienstfeier kam gut ohne mich aus.

Das Leben hat Vorrang! Kinder haben Vorrang, immer! Wahrscheinlich habe ich das von meinem Vater. Ihm verdanke ich unendlich viel. Er hat uns, meine ältere Schwester und mich, als Jugendliche immer abgeholt und heimgebracht. Egal wann und egal von wo und egal in welchem Zustand wir waren. Und die Freundinnen und Freunde von uns hat mein Vater auch sicher daheim abgeliefert. Ob um 2 Uhr früh vom Rollenspielabend im Lokal Laurin oder 5 Uhr morgens von der Disco in Favoriten.

Mein Vater war immer erreichbar und wir hatten auch nie Bedenken, ihn anzurufen. "Ihr stört nie!", hat mein Vater gesagt. "Ihr stört nie!", sag ich zu meinen Töchtern. Daher habe ich meinen Arbeitsplatz in die Küche verlegt. Denn die Ablenkungen mit ihren Hausaufgaben, ihren Streitigkeiten, den Problemen in der Schule, holen mich von jedem Elfenbeinturm herunter. So bin ich nie in Gefahr, mich zu lange in theologischen Höhen aufzuhalten. Unsere Töchter erden mich. Sie geben mir mit ihren Fragen und Sorgen Halt und, so denke ich, eine gute angemessene Haltung. Ich würde für meine Kinder alles tun. Nur nicht mehr arbeiten, denn dann hätte ich mit ihnen weniger Zeit.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Eric Clapton
Komponist/Komponistin: Will Jennings
Album: WISH
Titel: Tears in heaven/instr. / aus dem Film "Rush"
Solist/Solistin: Joshua Redman /Saxophon m.Begl.
Solist/Solistin: Pat Metheny /Gitarre
Länge: 03:23 min
Label: WB 9362453652

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