Blutabnahme, Sthethoskop

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Medizin und Gesundheit

Blut- und Lymphdrüsenkrebs

Topic in Focus: Präzise Verfahren gegen wiederkehrenden Blut- und Lymphdrüsenkrebs

Der größte europäische Kongress zu Bluterkrankungen ging am 11. Juni in Frankfurt zu Ende. Über 17.000 Teilnehmende aus allen Bereichen der Hämatologie konnten sich über die aktuellsten Studiendaten informieren und sich mit Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt austauschen. Das ist notwendig, weil das Wissen um Bluterkrankungen so rasant zunimmt. Für Bereiche, in denen die Geschwindigkeit noch angekurbelt werden soll, hat die europäische Hämatologie-Gesellschaft ein eigenes Programm entwickelt, das sie "Topics in Focus" nennt. Zu den drei bisherigen, wurde auf dem heurigen Kongress ein viertes Thema in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gestellt: die Präzisionsmedizin. Koordinator ist ein österreichischer Arzt, der mit der weltweit ersten Studie zur funktionellen Präzisionsmedizin in der Hämatologie für Furore gesorgt hat: Assoz.-Prof. PD DDr. Philipp Staber der Medizinischen Universität Wien.

Informationen über die Zelle sammeln

Für den heute verwendeten Begriff "Präzisionsmedizin" gibt es ältere Begriffe, die oft synonym eingesetzt werden. Individualisierte, personalisierte oder zielgerichtete Therapie meinten das gleiche, wurden aber häufig missverstanden.
Immer mehr Wissen über Krebszellen, ihre Entstehung und Entwicklung führen dazu, dass Krebszellen nun sehr genau charakterisiert werden können.
Die Pathologie ist das Fach, das diese Arbeit leistet. Hämatopathologin Univ.-Prof.in Dr.in Ingrid Simonitsch-Klupp von der Medizinischen Universität Wien arbeitet im ersten Schritt auch noch mit dem Mikroskop. Dann aber schon beim nächsten Schritt werden die Analyseverfahren hoch komplex. "Mit Antikörpern werden die Oberflächeneigenschaften der Krebszellen untersucht. Das führt dazu, dass man eine Zelle und ihre Eigenschaften exakt identifizieren kann. Diese Daten sind für Prognose und Therapie wesentliche Informationen."

Genetische Analysen

Weitere Untersuchungsschritte gelten Chromosomenstörungen und genetischen Veränderungen. Philipp Staber: "Das Wissen um derartige Veränderungen, die dafür sorgen, dass Zellen sich für unsterblich halten, sich rasch vermehren und ausschwärmen, um sog. Treiber-Mutationen, führte zu den ersten gezielten Therapien. Das Problem ist, dass bösartige Zellen meist mehrere Mutationen haben und dass ein Tumor aus Zellen zusammengesetzt ist, in denen diese unterschiedlich ausgeprägt sind. Wird die Treiber-Mutation gezielt behandelt, können Zellen mit anderen Mutationen sie überholen."
Die Folge ist das Wiederkehren der Erkrankung.
Dazu die Hämatopathologin Ingrid Simonitsch-Klupp: "Bei Vorliegen von Rezidiven ist eine zweite Gewebsentnahme notwendig - bei Leukämien wird Knochenmark aus dem Brustbein oder dem Beckenkamm entnommen. Bei Lymphdrüsenkrebs der befallene Lymphknoten. Jetzt muss man die bösartigen Zellen noch genauer analysieren, noch mehr Informationen sammeln, um noch einen Angriffspunkt für die Therapie zu finden".
Während für die Erstlinientherapie fixe Schemata als Standards etabliert sind, wird es mit jeder weiteren Therapielinie immer weniger standardisiert.

Arzneimitteltestung an der Krebszelle

Seit einigen Jahren versucht man die vielen Informationen zur Krebszelle, zum umgebenden Gewebe und zu Betroffenen in Algorithmen für präzise Therapien umzuwandeln.
In Wien suchte man eine sinnvolle Abkürzung. Hier werden die Medikamente direkt an den lebenden Krebszellen ausgetestet. Mit Hilfe einer bildgebenden Methode und einem Analyseverfahren wird untersucht, ob ein bestimmtes Medikament wirkt. "Diese funktionelle Präzisionsmedizin hat in einer ersten Studie, der EXALT-1, Vorteile für die Behandelten gezeigt", kann Philipp Staber berichten.

Auch die Nebenwirkungen im Blick

Wobei das Augenmerk nicht nur auf die Wirksamkeit gelegt wird. In einem zweiten Schritt werden auch gesunde Zellen mit dem Medikament geprüft - in Hinblick auf Nebenwirkungen, die möglichst gering sein sollten.

Die Pilotstudie zur funktionellen Präzisionsmedizin in der Hämatologie hat mittlerweile eine Fortsetzung gefunden, EXALT-2. Mit mehr Betroffenen, die teilnehmen können, und neben dem Zentrum in Wien sind auch die Universitätskliniken in Graz, Innsbruck, Linz und Salzburg dabei. "Diese Studie hat sehr viel Aufmerksamkeit auf dem Kongress erfahren", berichtet Philipp Staber, der ein vielgefragter Interviewpartner der Journalistinnen und Journalisten vor Ort war.

Moderation: Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger
Sendungsvorbereitung: Dr.in Birgit Beermann
Redaktion: Dr. Christoph Leprich, Lydia Sprinzl, MA.

Service

Studiogäste:

Assoz.-Prof. Priv.-Doz. DDr. Philipp Staber
Facharzt für Innere Medizin
Klinische Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie
Medizinische Universität Wien
AKH Wien
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
Tel.: +43 (0)1 40400-73782
E-Mail
Homepage

Univ.-Prof.in Dr.in Ingrid Simonitsch-Klupp
Fachärztin für Pathologie mit dem Spezialgebiet Hämatopathologie
Klinisches Institut für Pathologie
Medizinische Universität Wien
Währinger Gürtel 18-20
1090 Wien
Tel.: +43 (0)1 40400 - 36500
E-Mail
Homepage

Am Telefon:

Patrick Budgen
Moderator "Guten Morgen Österreich", Journalist, Autor Buch "Einsiedlerkrebs", edition-a 2021
Betroffener Lymphdrüsenkrebs

Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Selpers-Kurs von Philipp Staber zum Thema Untersuchungsmethoden der Pathologie B-Zell-Lymphome
Kompetenznetz Maligne Lymphome: Erklärung Histologie
Kinderkrebsinfo: Untersuchungen des gewonnenen Tumormaterials zur Bestimmung der NHL-Form
Krebsinformationsdienst: Histologische und zytologische Diagnostik in der Krebsmedizin
Meduni Wien: Hochrisiko-Leukämie behandelbar machen. FWF fördert Präzisionsonkologie an St. Anna Kinderkrebsforschung
Selbsthilfegruppe Myelom Lymphom Hilfe Österreich

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