Zwischenruf

Die Sprache der Ameisen

Ursula Kowanda-Yassin, Islamwissenchaftlerin, Umweltaktivistin und Autorin, über einen sorgsamen Umgang mit der Natur

Ich habe einmal einen Ameisenhaufen im Wald beobachtet, ein richtiges Kunstwerk, wie es gebaut ist und wie die Ameisen geschäftig herumkrabbeln. Jede Ameise weiß, was sie zu tun hat. Keine legt der anderen etwas in die Quere, oder hält die andere Ameise von ihrem Tun ab. Im Gegenteil. Es scheint ein ausgeklügeltes System zu geben, so dass keine Ameise an die andere stößt.

Auch das Nest ist ein Wunder, aufgetürmt liegen die Fichtennadeln in einem großen Haufen, die Form des Nestes ist gleichmäßig. Trotzdem ist der Ameisenhaufen unauffällig, beinahe unsichtbar. Da kann es schon passieren, dass man den Ameisenhaufen mit einem Erdhügel verwechselt und sich hineinsetzt. Schnell wird man merken, woraus der Untergrund besteht!

"In der Schöpfung sind fürwahr Zeichen für diejenigen, die glauben", so lautet es im Koran. Die Schöpfung als Erinnerung daran, dass es einen Schöpfer gibt. Das ist der Ansatz im islamischen Verständnis. Wer sich die Muße nimmt und genau hinsieht, wird bemerken, wie viele wunderbare Details hier zusammenwirken.

Doch zurück zu den Ameisen. Im Koran, in der Sure an-Naml, die Ameise, werden Ameisen beschrieben. Der Prophet Sulaiman soll die Sprache der Ameisen verstanden haben. Die Ameisen warnten einander vor den menschlichen Füßen, damit die Ameisen nicht zertreten würden. Sulaiman verstand sie und achtete darauf, sie nicht zu verletzen.

Ein Beispiel dafür, wie zerstörerisch der Mensch sein kann. Und nicht nur für diese Geschöpfe ist er bedrohlich! Und ausgerechnet das, was religiöse Menschen an Gottes Werk erinnert und so viel Freude bringen kann, gerade auf das sollte doch besonders Rücksicht genommen werden, finde ich. Denn das, was man liebt, möchte man schützen und achtsam behandeln. Der Dichter Junos Emre schrieb einmal: Wir lieben ja das Geschaffene um des Schöpfers Willen. Die Beschäftigung mit der Natur schärft auch das Bewusstsein für den Klimaschutz - denn in der Schöpfung hängt alles mit allem zusammen.

Ibrahim war bereit, seinen Sohn auf Gottes Geheiß zu opfern. Gott hat ihm Einhalt geboten und stattdessen einen Widder geschickt. Traditionell gedenken Musliminnen und Muslime dieser Erzählung zum Opferfest und schlachten ein Tier, dessen Fleisch mit der Familie und mit Armen geteilt wird. Das Fest kann aber auch ein Anlass sein, Gottes Geheiß im Koran im Alltag zu folgen: "Zerstört nicht auf Erden". Durch Achtsamkeit und die Bereitschaft, sich für Klimaschutz einzusetzen.

Im Sinne unseres eigenen Wohlergehens und als rücksichtsvolle, denkende Menschen finde ich es sehr wertvoll, genauer hinzusehen, zuzuhören, und die Hilferufe der Natur wahrzunehmen. Wir Menschen sind ja ein Teil der Natur. Das Bemühen um einen achtsamen Umgang mit der Schöpfung wird nach islamischem Verständnis belohnt. Denn Gott, Allah, sieht alles und wenn es nur eine schwarze Ameise in der dunkelsten Nacht ist.

Aber auch, wenn man nicht an Gott glaubt - ich bin überzeugt davon: Die Menschheit wird belohnt, wenn sie mit der Natur sorgsam umgeht.

Service

Buch, Ursula Kowanda-Yassin, "Öko-Dschihad", Residenz Verlag

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Ravi
Komponist/Komponistin: Prem Joshua
Komponist/Komponistin: Chinmaya
Album: TRIBAL GATHERING
Titel: Sufis and gypsies/instr.
Ausführende: Terra Incognita /Instrumental
Solist/Solistin: Ravi /versch.Instrumente
Solist/Solistin: Prem Joshua /versch.Instrumente
Solist/Solistin: Chinmaya /Sarod
Länge: 05:46 min
Label: New Earth Records/Tao Music 93022

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