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Punkt eins
Goldrausch unter Wasser - Tiefseebergbau ab 9. Juli 2023
Wie regeln wir staatsfreie Gemeinschaftsräume von der Tiefsee über die Antarktis bis ins All? Gast: ao. Univ.-Prof. Dr. Irmgard Marboe, Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Universität Wien. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
6. Juli 2023, 13:00
Die Tragweite des Versäumnisses ist noch nicht absehbar, denn so etwas ist bisher nicht vorgekommen: ab 9. Juli können Unternehmen erstmals Anträge auf den Abbau der Rohstoffe in der Tiefsee stellen. Es ist bis zu dieser Frist nicht gelungen, verbindliche Regularien zum kommerziellen Abbau von Rohstoffen auf dem Meeresboden internationaler Gewässer aufzustellen.
Manganknollen, Kobaltkrusten, Methanhydrate - als "Wettrennen um die letzten Rohstoffe" wird die Suche nach den Schätzen am Meeresgrund inszeniert, obwohl die landseitigen Vorräte noch lange reichen werden, das Potenzial für Recycling enorm ist und eher Wasser und Getreide zur Mangelressource werden als Seltene Erden oder die Metalle für die Energiewende. Eine neue Tiefsee-Industrie ist längst entstanden, in der Ausbeutung der fälschlicherweise als öde und lebensfeindlich beschriebenen Gebiete wittern zahlreiche Firmen und Staaten ein großes Geschäft angesichts steigender Rohstoffpreise, schmerzhafter Abhängigkeiten, zunehmender Nachfrage und neuer Technologien. Doch wem gehören diese Rohstoffe? Wem gehört die Tiefsee, wem der Meeresboden? Wer kann seine Schätze heben?
"The Area" - das Gebiet, der Ozean jenseits der Grenzen nationaler Zuständigkeiten und damit gut die Hälfte der gesamten Erdoberfläche gilt nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen UNCLOS von 1982 als "gemeinsames Erbe der Menschheit". Die Internationale Meeresbodenbehörde ISA mit Sitz in Jamaika, 1994 gegründet, verwaltet die Rohstoffe in internationalen Gewässern und hat bisher einige Dutzend Erkundungslizenzen vergeben - für Forschungszwecke.
Nun läuft am 9. Juli eine Frist ab, innerhalb der es möglich gewesen wäre, ein verbindliches Regelwerk für den Tiefseebergbau aufzustellen. Fast zwei Wochen hatte der Rat der Internationalen Meeresbodenbehörde im März getagt und debattiert, doch man ist gescheitert; am 10. Juli findet die nächste Ratssitzung statt. Was bedeutet das?
Grundsätzlich ist die Hohe See (zwei Drittel der Ozeane), die Antarktis oder auch der Freie Weltraum ein hoheitsfreier Gemeinschaftsraum, der einem besonderen völkerrechtlichen Vertragssystem untersteht und von allen Staaten unter bestimmen Bedingungen genützt werden darf, sagt die Juristin und Universitätsprofessorin Irmgard Marboe.
Heißt das, man kann dort machen, was man will? Ist die Hohe See einerseits Niemandsland und andererseits in Hinblick auf die Nutzung Jedermannsland? Kann das Völkerrecht die weitgehend unbekannten und unberührten Tiefen der Ozeane schützen? Lassen sich der Ressourcenabbau am Mond mit jenem unter der Arktis, im Pazifik oder auf der Erdoberfläche rechtlich vergleichen?
Univ. Prof. Dr. Irmgard Marboe ist zu Gast bei Barbara Zeithammer und spricht über die komplexe Verwaltung der Meere und ihrer Rohstoffe, die "Verfassung" der Ozeane (das Seerechtsübereinkommen UNCLOS 1982), die Idee des "gemeinsamen Erbes der Menschheit" und unseren Umgang mit staatsfreien Rechtsräumen.
Rufen Sie uns an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
Sendereihe
Gestaltung
- Barbara Zeithammer
Playlist
Komponist/Komponistin: Charles Trenet
Titel: La Mer (Beyond the Sea) (davon 11 Sek. unterlegt)
Ausführende: Django Reinhardt & Stéphane Grappelli
Länge: 04:15 min
Label: Blue Note
Komponist/Komponistin: Michael Creber
Titel: Treasure Hunt (davon 14 Sek. unterlegt)
Ausführende: Michael Creber Trio
Länge: 06:59 min
Label: Creber Music
Komponist/Komponistin: Avishai Cohen
Titel: Seven Seas (davon 61 Sek. unterlegt)
Ausführende: Avishai Cohen Trio
Länge: 05:19 min
Label: Parlophone