Was wurde aus der Rainbow Nation? Diagonal unterwegs in Kapstadt

8. Juli 2023, 17:05

Im Februar 2023 ging in Kapstadts angesagtem Stadtteil Seaport nichts mehr. Der Verkehr war kollabiert, die ganze Stadt - so schien es - war auf den Beinen und entlang der malerischen Promenaden wurde es richtig laut. Als Austragungsort der Formula E will Kapstadt erneut mit einem sportlichen Großspektakel punkten. 2010 bei der Austragung der Fußballweltmeisterschaft lagen die Augen der Welt auf dem Tafelberg. Nun also soll ein Aushängeschild der Elektromobilität den Standort erneut nach vorne bringen. Ein Treppenwitz der Geschichte: Gesponsert wurde das Event von Südafrikas staatlichem Energieversorger Eskom. Dieser ist für weite Teile der Bevölkerung zum roten Tuch geworden. Denn Misswirtschaft und Korruption haben Südafrika in die größte Energiekrise gestürzt, die das Land je gesehen hat. Täglich fällt der Strom für mehrere Stunden aus. "Blackouts" gehören zum Alltag. Dessen ungeachtet, machen verhältnismäßig niedrige Immobilienpreise und günstige Arbeitskräfte Kapstadt nach wie vor zum Magneten für europäische Investoren und auch betuchte Touristen zieht es von der nördlichen Halbkugel ans Kap - Weingüter und Golfplätze laden dazu ein, den Winter zu verkürzen.

Wo Kapital ist, ist auch Kunst. Das Zeitz MOCAA, ein Prestigeprojekt des ehemaligen Puma-Chefs Jochen Zeitz, gilt seit seiner Eröffnung 2017 als bedeutendstes Museum für zeitgenössische Kunst aus Afrika. Die spektakuläre architektonische Adaption eines ehemaligen Silos ist zum Touristenmagneten geworden, internationale Kurator:innen folgen dem Gebot der Stunde und schauen über den eurozentristischen Tellerrand: Kunst aus Afrika boomt. Davon profitieren auch Kunstschaffende am Western Cape.

Doch mehr als 30 Jahre nach der Abschaffung der Apartheid bleibt Kapstadt eine segregierte Stadt. In das 40km vom Stadtzentrum entfernte Township Kayelitsha verirrt sich selten ein Weißer. In Südafrikas zweitgrößter informeller Siedlung reiht sich eine Wellblechhütte neben die andere, auf wenigen Quadratmetern leben hier ganze Familien. Fast auf jeder dieser behelfsmäßig errichteten Behausungen thront eine Satellitenschüssel, das eskapistische Tor in eine andere Welt, die Trost spendet. Die Folgen der Lockdowns, die in Südafrika besonders streng überwacht wurden, hat man in den Townships immer noch nicht überwunden und auch die Energiekrise trifft die Ärmsten der Armen am härtesten. Während betuchte Haushalte und Firmen auf Notstromaggregate zurückgreifen, sind die Bewohner:innen der Townships darauf angewiesen, notwendige Verrichtungen des Alltags in wenigen Stunden zu erledigen. Dem Mangel trotz man hier mit Lebensfreunde. So zumindest will es ein Narrativ des regierenden ANC, an das längst nicht mehr alle glauben.

Eine Sendung von Christine Scheucher
Mitarbeit: Erich Klein
Mit einem Musikprogramm kuratiert von Peter Waldenberger

Anschließend: Diagonals Musiksalon

Service

Jonny Steinberg, "Winnie and Nelson. Portrait of a Marriage", Alfred A. Knopf 2023

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Zeitz MOCAA

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Sendereihe

• Diagonal

Gestaltung

• Christine Scheucher