Zwischenruf
Das Vermächtnis des Zauberschülers
25 Jahre Harry Potter auf Deutsch von Christian Herret, Mitarbeiter der Dreikönigaktion der Katholischen Jungschar
23. Juli 2023, 06:55
Mr. und Mrs. Dursley im Ligusterweg Nummer 4 waren stolz darauf, ganz und gar normal zu sein, sehr stolz sogar. Mit diesem Satz beginnt eine fantastische literarische Reise. Sie nimmt uns mit in eine Welt voller Magie und Zauberei, in der die namensgebende Hauptfigur der Romanreihe - Harry Potter - heranwachsen darf.
Es ist die Geschichte eines Außenseiters: von seinen Mitschülern gehänselt und von seinen Verwandten, den Dursleys, bei denen er nach dem Tod seiner Eltern lebt, vernachlässigt. An seinem 11. Geburtstag wendet sich sein Leben dramatisch. Er erfährt, dass er ein Zauberer ist und von nun an Hogwarts, die berühmte Schule für Hexerei und Zauberei, besuchen darf.
Aber auch in der magischen Welt ist Harry kein normales Leben beschieden. Aufgrund seiner Geschichte ist er der Auserwählte, der die Welt vor seinem Gegenspieler, dem dunklen, das Böse verkörpernden Lord Voldemort retten kann. Dazu muss der Bub zu einem Helden - oder, metaphorisch gesprochen - muss das Kind zu einem Erwachsenen reifen.
Dem Guten zum Durchbruch zu verhelfen - das durchzieht die Überlieferungen der Menschheit: Sagen, Mythen, heilige Schriften - sie alle erzählen davon. Die Autorin greift mit Harry Potter die angelsächsische Tradition des Superhelden, der "nur" ein Alltagsmensch ist, auf. Ein deutscher Autor schreibt über Potter: Er ist wie Superman, die Comic-Figur, die erfunden wurde, um der deutschen Vorstellung vom "Übermenschen" eine demokratische Version entgegenzusetzen: Clark Kent, alias Superman, wenn er nicht gerade in den Lüften gegen böse Mächte kämpft, ist er ein schüchterner, verklemmter Typ. Einer wie du und ich.
Harry Potter hat, ähnlich wie Superman, außerordentliche Fähigkeiten, ist sonst aber ein gewöhnlicher Pubertierender und recht mittelmäßiger Schüler, der meist unsicher und unbeholfen wirkt. Wäre da nicht Hermine, die kluge, etwas streberhafte Kameradin, er wäre oft ziemlich aufgeschmissen.
Mich erinnert er durch seine Jugend und eigentlich Mittelmäßigkeit auch an Frodo Beutlin, den Helden der Tolkien-Trilogie "Der Herr der Ringe". Mit ihm hat der junge Zauberer noch etwas gemeinsam: Seinen größten Sieg erringt er nicht im Kampf gegen das Böse, gegen Lord Voldemort, sondern gegen sich selbst. Wie Frodo kämpft auch er erfolgreich gegen die Versuchung an, es sich einfach zu machen und sich auf die Seite des Bösen zu schlagen. Sein Konterpart, Lord Voldemort, der eine ähnliche Kindheitsgeschichte wie Potter selbst hat, war nicht so stark: Er ist der Machtgier und dem Geltungsdrang erlegen und so zum Bösewicht geworden.
Seit 25 Jahren gibt J.K. Rowling Generationen von Heranwachsenden, die der Potter-Mania seit den 1990er Jahren erliegen, eine wichtige Botschaft mit auf den Weg: Es hängt oft einzig und allein von dir selbst ab, ob du dich zur Heldin, zum Helden deines Lebens machst. Du hast es in der Hand, ob du zu Voldemort oder Potter wirst - oder ob du wie die Dursleys gerade mal als Fußnote in die Geschichte eingehst. Und wenn das Gute siegen soll, dann gilt es einen Beitrag dafür zu leisten.
Die Autorin legt Harrys Mentor, dem alten weisen Zauberer Dumbledore, die magischen Worte in den Mund: "Es sind nicht unsere Fähigkeiten, die zeigen, wer wir wirklich sind. Sondern unsere Entscheidungen."