Böses Nichts

29. August 2023, 06:57

Der Kirchenvater Augustinus beschreibt das Böse als eine "privatio boni", d.h. als einen Mangel, eine Beeinträchtigung, eine Beraubung des Guten. Das Böse ist in gewissem Sinn ein "Nichts", also ein Wille, der auf Vernichtung und Zerstörung von allem zielt, was existiert.

In seiner Verfilmung des "Herren der Ringe" hat Peter Jackson diese nichtende Gewalt des "Bösen" in starke Bilder gebracht. Da sind die "Nazgul", einst mächtige Könige, weder lebendig noch tot, und ewig auf der Suche nach dem Ring der Macht. Mit ihren wallenden Kapuzenmänteln und den feurig-schwarzen Rappen üben sie eine ästhetische Faszination aus - wie jede böse Macht. Doch sie haben kein Gesicht, sie sind keine Personen, sie sind nur vom Willen zur Macht geschaffene "Ringgeister".

Auch die Macht Saurons wird meisterlich ins Bild gebracht: Überreste einer Person, ohne Körper, von der nur mehr der pure Machtwille existiert - ein Tag und Nacht geöffnetes, von Feuer umrahmtes Auge, das alles, worauf sein Blick fällt, kontrollieren und vernichten kann. Dieses Auge befindet sich an der Spitze eines Turmes. Man fühlt sich an den biblischen Turm von Babylon erinnert, ebenfalls ein Bild des menschlichen Strebens nach Macht.

Doch diese ganze angsterregende Macht-Konstruktion erweist sich am Ende als ein Nichts, als ein Trugbild: Die Zerstörung des Ringes lässt den ganzen bösen Zauber in sich selbst zusammenstürzen und verschwinden. Die Macht des Bösen lebt von ihrer Anerkennung als Realität. Indem die Helden des Tolkienschen Epos ihr mit der Zerstörung des Ringes - also der Zerstörung des Willens zur Macht - die Grundlage entziehen, enthüllen sich Sauron und seine Gefolgschaft als das, was sie sind: ein Nichts.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler