Sehnsucht nach dem Paradies

1. September 2023, 06:57

Der "Herr der Ringe" ist eine Fantasy-Geschichte mit viel Action. Ich erkenne in ihr aber auch die Beschreibung einer spirituellen Reise. Denn die Kriege im Außen hängen oft sehr eng mit den Kämpfen im Inneren der Seele zusammen.

Der Weg Frodos erzählt so zum Beispiel von der Erfahrung, dass das Verlassen der kindlichen, idyllischen Harmonie im Auenland notwendig ist, um auch in spiritueller Hinsicht zu reifen und erwachsen zu werden. So verständlich die Sehnsucht nach dem Paradies ist: Wie Adam und Eva wird auch Frodo daraus unwiderruflich vertrieben. Unvorhergesehen Ereignisse im Leben zwingen dazu, sich auf die irdische Geschichte einzulassen und die je eigene Berufung in dieser zu entdecken.

Im "Herren der Ringe" steht die Zerstörung des Ringes der Macht im Zentrum: also die Vernichtung der Quelle alles Bösen, d.h. des menschlichen Willens zur Macht. Solange dieser Ring, also dieser Wille, existiert, wird es immer wieder durch die Lust an Macht und Unterwerfung verführbare Menschen geben. Spirituell bedeutet das, das eigene Ego sterben zu lassen - ein seelischer Prozess, der sich durchaus wie das verbrannt Werden in vulkanischer Lava anfühlen kann.

Frodo entscheidet sich für diesen Weg, der wie jeder ernsthafte spirituelle Weg von Versuchungen, Zweifeln, Prüfungen und Krisen begleitet ist. Eine Rückkehr ins Auenland ist nach einem solchen Weg nicht mehr möglich. Wer ihn geht, bleibt, wie Frodo, gezeichnet. Davon erzählen auch die Biografien vieler Mystikerinnen und Mystiker. Aber indem Frodo seinen schmerzhaften Weg geht, befreit er auch viele andere vom Übel des Willens zur Macht. Sein Lohn ist die Reise in die Weite einer offenen, nicht vorherbestimmten Zukunft - symbolisiert durch das unendliche Meer, in das er mit den Elben aufbricht.

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Sendereihe

• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler