Medizin und Gesundheit

Eine politische Schande

Frauenarmut und die gesundheitlichen Konsequenzen

Eigentlich kaum zu glauben

Österreich zählt zu den reichsten Ländern der Welt. Dennoch sind laut jüngsten Daten der Statistik Austria 568.000 Frauen von Armut betroffen. Knapp die Hälfte davon lebt in akuter Armut und damit mit massiven Einschränkungen in zentralen Lebensbereichen. Eine dieser Einschränkungen ist der Zugang zum Gesundheitssystem, insbesondere dann, wenn die Frauen nicht krankenversichert sind, betont auch Dr.in Bernadette Becsi, stellvertretende ärztliche Leiterin des "neunerhaus Gesundheitszentrums" in Wien, einer Einrichtung, in der Menschen auch ohne Versicherungsanspruch umfassend medizinisch und psychologisch betreut werden.

Chronisch krank und niemand hilft

Viele arme Menschen leiden unter chronischen Erkrankungen und/oder die Krankheitsverläufe sind viel weiter fortgeschritten als bei Menschen, die einen besseren Zugang zum Gesundheitssystem in Österreich haben, berichten alle medizinischen Einrichtungen. Viel Scham und auch schlechte Erfahrungen vereiteln häufig den dringend nötigen Arztbesuch. Bei Frauen kämen zudem von Gewalt geprägte Beziehungen und medizinische Probleme des weiblichen Körpers, Menstruationsbeschwerden und Schwangerschaftsprobleme dazu.

Wer arm ist, stirbt früher

47 Prozent der erwachsenen armutsbetroffenen Menschen in Österreich sind Frauen. Die finanzielle und die gesundheitliche Situation sind eng miteinander verknüpft, bekräftigt Sylvia Gaiswinkler, Senior Health Expert bei "Gesundheit Österreich" und Erstautorin des aktuellen Frauengesundheitsberichtes. "Frauen, die in Armut leben, haben ein höheres Risiko für Herzinfarkt und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Tatsächlich versterben viel mehr Frauen an Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Männer. Das ist noch immer zu wenig bekannt."

Die Ärmsten der Armen

Besonders armutsgefährdet und sozial ausgegrenzt sind alleinerziehende Mütter, bzw. Mitglieder von Ein-Eltern-Haushalten. Fast 50 Prozent dieser Personen haben viel zu wenig Geld. Bei dieser Gruppe sind die Inflation und Teuerung der vergangenen Monate besonders bedrohlich. Sie treiben die Lebenserhaltungskosten in die Höhe und schüren Existenzängste. Diese finanziellen Sorgen belasten auch die psychische Gesundheit.

Unverschuldete Schicksale

Armut macht krank - und Krankheit kann arm machen, das weiß aus eigener Erfahrung auch Astrid Esterle. Die langjährige, erfolgreiche Unternehmerin, Mutter einer Tochter mit Trisomie 21 sowie Herz- und Atemproblemen ist selbst schwer krank. Die Witwe fürchtet sich mittlerweile vor den Kosten anstehender Autoreparaturen und hohen Kosten für Heil- und Pflegemittel, die nicht von der Krankenkassa übernommen werden. "Es geht um die Gesundheit meiner Tochter, darum möchte und muss ich das Geld aufbringen", sagt Astrid Esterle. "Dann muss ich halt irgendwo anders sparen, damit ich mir das leisten kann. Aber das sind dann Überlegungen, die mich in der Nacht nicht schlafen lassen."

Die Lösungen liegen auf dem Tisch

Eine ausreichende Mindestsicherung, individueller Zugang zu Sozialleistungen, ausreichende Löhne, abgestimmte Gesundheitsangebote und mehr Kinderbetreuungseinrichtungen.
Alles oft gefordert.
Aber der politische Wille ist nicht sichtbar.

Arm, krank, weiblich: Was wird getan, um insbesondere armutsgefährdete Frauen zu unterstützen? Wo und wie werden Menschen ohne Krankenversicherung umfassend auch medizinisch versorgt?

Moderation: Univ.-Prof.in Dr.in Karin Gutiérrez-Lobos
Sendungsvorbereitung: Mag.a Dr.in Maria Harmer
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Sind Sie selbst von Armut betroffen?

Können Sie sich notwendige medizinische Behandlungen noch leisten?

Kennen Sie Frauen, die arm oder obdachlos sind?

Haben Sie ausreichend Geld, um Ihre Kinder gut zu versorgen?

Service

Studiogäste im Ö1 Haus:

Dr.in Bernadette Becsi
Allgemeinmedizinerin, seit Jänner Stellvertretung der ärztlichen Leitung "neunerhaus"
ein halbes Jahr mit "Ärzte ohne Grenzen" im Einsatz
neunerhaus Gesundheitszentrum
Margaretenstraße 166
1050 Wiien
Tel: 01/9900909500
E-Mail
Homepage

Astrid Esterle
Ehem. Unternehmerin, verwitwet, Mutter einer Tochter mit Trisomie 21 und selbst schwer erkrankt

Am Telefon:
Sylvia Gaiswinkler, MA
Senior Health Expert bei GÖG, Abteilung Gesundheit, Gesellschaft und Chancengerechtigkeit.
Tel: +43 1 515 61-307
E-Mail
Homepage


Weitere Anlaufstellen und Info-Links:

Med4hope - medical aid for homeless people


Krankenhaus der Barmherzigen Brüder Wien


AMBERmed - Gesundheitsversorgung für Menschen ohne Krankenversicherung

Caritas Österreich

Louisebus Caritas Erzdiözese Wien - medizinische Hilfe für obdachlose Menschen


Frauenarmut in Österreich, Armutskonferenz



Frauen- und Gendergesundheit, Gesundheit Österreich


Frauengesundheitsbericht GÖG

Aktionsplan Frauengesundheit


Hinweis Veranstaltung
Konferenz "Leben am Limit: Frauenarmut und Gesundheit" 13.9. Wien

Sendereihe