Herbert Lachmayer

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Menschenbilder

Der Kulturphilosoph Herbert Lachmayer

Weltwahrnehmung durch Geschmacksintelligenz - Der Kulturphilosoph, Universitätslehrer und Ausstellungsmacher Herbert Lachmayer

Herbert Lachmayer, geboren 1948 in Wien, ist durchaus dem Soziotop der sogenannten 68er zuzuordnen. Allerdings nicht im Sinne aufgeregter Studentenproteste, sondern als Feingeist, der die politische Umbruchssituation nutzte, um ein paar alte Zöpfe abzuschneiden und neue Diskursspiele in Gang zu bringen. Lachmayer, der aus einem bildungsbürgerlichen Haushalt stammt und dessen Vater eine Zeitlang in Indien als Jazzmusiker tätig war, begann seine Studien in Wien, wanderte aber bald nach Frankfurt aus. Er studierte bei Theodor W. Adorno und Jürgen Habermas, später, in Berlin, auch bei den Philosophen Jacob Taubes und Dieter Henrich. Doch neben der akademischen Ausbildung stürzte er sich mitten hinein ins tobende Leben der erwachenden Gegenkultur, lebte sogar einige Zeit auf dem Bauernhof der Politrock-Band Ton, Steine, Scherben in Schleswig-Holstein und stieg als Cellist bei deren Jamsessions ein.

In Lachmayers Universitätslehre, unter anderem an der Kunstuniversität Linz, entwickelte er den Begriff der Geschmacksintelligenz, mit dem er kartesianische Tugenden mit irrationalen Erkenntnisblitzen so zusammenführt, dass daraus ein Modell der Weltwahrnehmung entsteht. Seine Methode des ,Staging Knowledge', also etwa: Wissen auf die Bühne bringen, ermöglichte es ihm, auch als Ausstellungsmacher zu brillieren. Am spektakulärsten wohl in einer Schau anlässlich des Mozart-Jubiläums im Jahr 2008 in der Wiener Albertina. Dort veranstaltete Herbert Lachmayer beinahe jeden Tag ausladende Führungen, mit denen er die Objekte zum Leben erwecken und die Schau zum Diskursplateau machen wollte. Mozart ist neben Joseph Haydn und zeitgenössischen Künstlern wie Franz West eine Zentralfigur in Lachmayers demiurgischer Durchdringung der Welt. Nicht umsonst leitete der Theoretiker viele Jahre lang die privat finanzierte Forschungseinrichtung Da Ponte Institut für Librettologie, Don-Juan-Forschung und Sammlungsgeschichte. In dem Institut forschten Wissenschaftler über das 17. und 18. Jahrhundert und versuchten anhand der Libretti Tendenzen der höfischen, absolutistischen Adelsgesellschaft dieser Epoche abzulesen.

Alle, die den mittlerweile emeritierten Professor in Erinnerung haben, weisen auf sein ungeheures rhetorisches Talent hin, das es ihm ermöglichte, aus dem Stegreif mehrere Stunden lang etwa über den ,Pornosophen' Mozart zu sprechen und dabei zu saftigen Konklusionen zu kommen: "In bürgerlichen Verhältnissen wäre Mozart 100 Jahre später womöglich schizophren geworden, wie so manches romantische Künstlergenie" schrieb er einmal in der ,Welt'. "Aber Mozart lebte noch nicht in dieser schuld-produzierenden Über-Ich-Gesellschaft des 19. Jahrhunderts."

Sendereihe

Gestaltung

  • Thomas Mießgang