Chris Pierce' neues Album "Let All Who Will"

6. Oktober 2023, 17:30

Chris Pierce aus Los Angeles steht - zumindest mit einem Fuß - tief in der US-amerikanischen Protestsong-Tradition. Seit fast drei Dekaden singt der Afroamerikaner mit Cowboyhut an gegen soziale Ungerechtigkeit, Rassismus und politische Missstände in den USA. Die meisten seiner Lieder entstehen (und funktionieren ausgezeichnet) mit Gitarre und Mundharmonika. Und solcherart reduziert trägt er sie auch gern live vor, manchmal sogar im Studio - etwa 2021 auf dem Album "American Silence". Mit seinen intensiven Solo-Performances hat er ab 2005 auch Größen wie Seal, Neil Young oder Aaron Neville fasziniert, die ihn als Opening Act für ihre Konzerte engagierten.

Doch seine beeindruckende Soul-Stimme schreit bisweilen nach kräftigerer Instrumentierung, und eine solche prägt nun auch sein aktuelles Album. Am 1. September ist "Let All Who Will" erschienen und begeistert mit üppigen Arrangements, die in ihrer Synthese von Soul, Blues und Rock an den berühmten Sound aus Alabama in den Glanzzeiten des Southern Soul der 70er-Jahre erinnern: kernige E-Gitarren, heulende Steelgitarren, gurgelnde Hammondorgeln, beherzte Backgroundsängerinnen.

An der Dringlichkeit seiner Botschaft hat das nichts geändert. Im Gegenteil. Viel zu wenig hat sich in den letzten Jahrzehnten in den USA getan, viel zu vieles hat sich verschlimmert in der systematischen Diskriminierung der schwarzen Bevölkerung. Und hat Chris Pierce 2008 noch die hoffnungsvolle Durchhalteparole "Keep on keeping on!" gesungen, so wird er jetzt allmählich ungeduldig und fast schon zornig: "Overdue! Step by step there's nothin' left to lose. We overdue!"

Sendereihe

• Spielräume

Gestaltung

• Michael Neuhauser