Zwischen Wohlfühlritual und Zwang

15. November 2023, 06:57

Rituale sind keineswegs nur eine Sache des Kollektivs, sondern auch eine des Individuums. Jeder von uns verfügt über ein Repertoire an Alltagsritualen, die richtig ausgeführt sowohl zum Gelingen des Alltags, als auch zu mehr Wohlbefinden beitragen.

Allerdings ist die Grenze zwischen persönlichem "Wohlfühlritual", zum Beispiel einem echten italienischen Espresso am Morgen, und einem alternativlosen Zwangsritual, zum Beispiel das dauernde Händedesinfizieren nach jeder Berührung einer Oberfläche im öffentlichen Raum, eine sehr dünne. Muss eine Handlung immer völlig gleich ausgeführt werden und wirken sich schon kleine Abweichungen auf die gute Laune aus, hat man es wahrscheinlich eher mit einem Zwangsritual zu tun, zumindest aber mit einer schlechten Gewohnheit.

Doch das ist nur die eine Seite der Medaille. So ist in psychotherapeutischen Kontexten die "heilende" Kraft der Rituale bedeutsam. Mit ihrer Hilfe soll aus dem persönlichen und familiären Chaos eine künstliche Ordnung geschaffen werden.

"Früh übt sich, wer ein Meister werden will." Dieser Kalenderspruch bewahrheitet sich auch in diesem Fall. Schon im Kindergarten werden die Sprösslinge in das Universum menschlicher Rituale eingeführt. So übt man dort mithilfe von kleinen Ritualen, wie man geordnet zu mehreren sein kann. Vom gemeinsamen Sitzkreis in der Früh bis zum Singen beim Kindergeburtstag am Nachmittag: Noch bevor wir begreifen können, was der höhere Sinn, die versteckte Bedeutung all dieser Rituale, die oft abstrus bis lächerlich würdevoll wirken können, sein könnte, lernen wir sie miteinander auszuführen.

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• Gedanken für den Tag

Gestaltung

• Alexandra Mantler