Medizin und Gesundheit

Moderne Gen- und Stammzell-Therapien

Revolution der Medizin?

Vor zwei Wochen ist die erste Gentherapie auf Basis der Genschere CRISPR/Cas9 in Großbritannien zugelassen worden. Und zwar zur Behandlung von zwei schweren Bluterkrankungen - der Sichelzellanämie und Beta-Thalassämie.
Seit vergangenem Jahr - darüber haben wir berichtet - gibt es Gentherapien gegen die Hämophilie A und gegen die spinale Muskelatrophie - eine angeborene schwere Erkrankung bei Kindern.
Viele weitere Studien mit Gentherapien sind weit fortgeschritten.
Und auch im Bereich der Stammzelltherapie gibt es erstaunliche Ergebnisse. Führend dabei ein Forschungsteam aus Wien.

Mini-Herzen aus Wien

Das Team vom IMBA ist weltweit führend bei der Herstellung von sogenannten Herz-Organoiden. Diese im Nährmedium wachsenden "Mini-Herzen" (sie sind maximal 3 mm groß) sind die am weitesten entwickelten Organoide in diesem Forschungsgebiet.
Dr. Sasha Mendjan: "Wir arbeiten mit sogenannten induzierten, pluripotenten Stammzellen. Diese stammen von "ethisch unverdächtigen, somatischen Zellen", die von Erwachsenen gewonnen wurden. Also nicht von Embryonen. Der Clou dabei: Mit ein bisschen Nachhilfe von uns organisieren sich diese Stammzellen selbst zu einem herzähnlichen Organ und beginnen innerhalb von 7 Tagen zu schlagen. Das wäre in der menschlichen Herzentwicklung genauso."

Ideale Testobjekte

An diesen Herz-Organoiden können wichtige Untersuchungen durchgeführt werden. Angeborene Herzfehler sind sehr häufig und das Wissen über deren Ursachen und Entstehung ist gering. Außerdem können auch Medikamente getestet werden.
Dr. Sasha Mendjan: "Besonders wichtig sind Substanzen gegen Krebserkrankungen. Einige dieser Medikamente können das Herz schädigen. Derzeit wird untersucht, wie man diese kardiotoxischen Wirkungen entschärfen oder rückgängig machen kann."

Der große Traum der Medizin - Selbstheilung des Herzens

Die Selbstheilung des Herzens ist aus dem Tierreich bekannt und wurde sogar in Einzelfällen bei neugeborenen Babys beobachtet. Diese Regenerationsfähigkeit ist bei erwachsenen Menschen nicht mehr vorhanden - Stichwort Narbe nach Herzinfarkt.
Der Biologe Sasha Mendjan: "Es gibt bisher kein Modell das zu untersuchen. Wir beforschen nur die sogenannten Kardiomyozyten. Die Frage ist, wann können sich diese teilen und vor allem regenerieren. Wenn wir da Ergebnisse erzielen, wäre das natürlich ein großer Fortschritt."

Erste Gentherapie auf CRISPR/Cas9-Basis

In Großbritannien wurde vor zwei Wochen die Gentherapie "exa-cel" gegen Sichelzellanämie und Beta-Thalassämie zugelassen. Beide Erkrankungsbilder sind auf Fehler in den Genen, die für den Blutfarbstoff Hämoglobin verantwortlich sind, zurückzuführen
Für die Betroffenen sind beide Krankheiten sehr unangenehm bzw. im Falle der Sicherzellanämie auch lebensgefährlich.
Mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas9 wird gezielt jener Genabschnitt ausgeschaltet, der die Erkrankungen verursacht.

Die ethischen Aspekte der Gentherapie

Univ.-Prof. Dr. Karl Stöger ist Jurist und Leiter des Institutes für Ethik und Recht in der Medizin. "Die am Markt befindlichen Gentherapien sind alle als Medikamente zugelassen. Das bedeutet, sie haben Studien durchlaufen und wurden von den Zulassungsstellen genehmigt. Da die zugrundeliegenden Studien oft mit geringen Fallzahlen durchgeführt wurden, ist die Kontrolle nach der Zulassung besonders wichtig. Denn es kann natürlich bei breiter Anwendung zu Nebenwirkungen kommen, die bei den Studien noch nicht festgestellt wurden. Eingriffe in die Keimbahn (Spermien, Eizellen oder deren Vorstufen) sind bei uns verboten und das ist gut so. Denn diese Veränderungen im Erbgut werden an die Nachkommen weitergegeben."


Diesmal informieren Sie Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger und seine Gäste über die neuesten Gen- und Stammzelltherapien und die ethischen Fragestellungen bei diesen Technologien.

Moderation: Univ.-Prof. Dr. Markus Hengstschläger
Sendungsvorbereitung: Dr. Christoph Leprich
Redaktion: Dr. Christoph Leprich

Reden auch Sie mit! Wir sind gespannt auf Ihre Fragen und Anregungen. Unsere Nummer: 0800/22 69 79, kostenlos aus ganz Österreich.

Haben Sie Bedenken gegen Gentherapien?
Haben Sie eine Hämophilie A oder B? Würden Sie sich mit einer Gentherapie behandeln lassen?
Würden Sie Ihr Kind, mit einer schweren, unheilbaren Erkrankung mit einer Gentherapie behandeln lassen?

Service

Zu Gast im Ö1 Haus:

Dr. Sasha Mendjan, Biologe und Arbeitsgruppenleiter Human Cardiogenesis Group am IMBA -Institute of Molecular Biotechnology
Dr. Bohr-Gasse 3
1030 Vienna, Austria
+43-1-790 44
E-Mail
Homepage


Experten am Telefon:

Univ.-Prof. Dr. Karl Stöger, Abteilung Medizinrecht am Juridicum und Leiter des Institutes für Ethik und Recht in der Medizin
Universität Wien
Universitätsring 1
1010 Wien | T +43-1-4277-0
Schottenbastei 10-16 (Juridicum), Stiege I, 6. Stock, Zi 619
1010 Wien
Tel: +43-1-4277-35411
E-Mail
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Univ.-Prof. Dr. Josef Penninger, Genetiker
E-Mail
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Weiterführende Informationen:

Mini Herzen aus Wien

Erste Gentherapie auf Basis von CRISPR/Cas9


Infos zu den wichtigen Gentherapien


Somatische Gen-Therapie

Risiken der Keimzelltherapie

Der "Sündenfall" - Keimzelltherapie bei zwei Mädchen in China

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