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Punkt eins
Eskalation in Myanmar
Militante Rebellion statt demokratische Opposition? Myanmars Militärjunta verliert die Kontrolle. Gäste: Georg Bauer, Historiker und Kulturwissenschafter, Universität Wien; Majid Lenz, Myanmar-Referent, Stiftung Asienhaus, Köln. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
4. Dezember 2023, 13:00
2021 putschte in Myanmar das Militär gegen die demokratisch gewählte Regierung. Seitdem geht die Junta brutal gegen ihre Gegner:innen vor. Laut Schätzungen der Vereinten Nationen sind tausende Demonstrant:innen und andere Bürger:innen getötet und rund drei Millionen Menschen vertrieben worden. Die Opposition spricht außerdem von über 20 000 politischen Gefangenen.
Am 27. Oktober gelang einer Allianz der drei am schwersten bewaffneten Volksgruppen-Milizen ein Überraschungsangriff, der die als Tatmadaw bekannte Landesarmee seither in schwere Bedrängnis gebracht hat. Die Offensive dauert an, weitere Gruppen haben sich angeschlossen. Viele davon hatten schon gegen vorangegangene Regierungen gekämpft, auch gegen die 2021 ins Exil gedrängte Einheitsregierung um Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi - deren Partei, die Nationalliga für Demokratie, schließlich im März von der Militärregierung aufgelöst wurde. Aung San Suu Kyi selbst wiederum hatte als Regierungschefin scharfe internationale Kritik auf sich gezogen, weil sie die Massaker des Militärs an der Rohingya-Bevölkerung im Landesteil Rakhaing de facto gebilligt hatte. 2017 flohen rund 600.000 Rohingya ins benachbarte Bangladesch.
Nun ist es also nicht der "Volksaufstand" der demokratischen Opposition, sondern ein Konglomerat aus ethnischen Gruppen mit dem Ziel, Territorien unter ihre Kontrolle zu bringen, die die landesweite Dominanz der Militärregierung erstmals ernsthaft bedroht, wie etwa die "Japan Times" sorgenvoll kommentiert. Die Allianz betont, geeint hinter dem Ziel eines demokratischen Wandels zu stehen. Beobachter:innen befürchten dennoch, das Land könnte im Chaos versinken, wenn der Weg zum Frieden nicht als erstes über die Anerkennung der Exilregierung führt.
Die Junta hat derzeit die Kontrolle über zahlreiche Militärbasen, regionale Zentren und wirtschaftlich bedeutende Grenzübergänge zu China verloren. Die chinesische Regierung gilt indessen als Unterstützerin der Tatmadaw, um sich Einfluss in der Region zu sichern. Auch die Reaktionen des Wirtschaftsbundes ASEAN als potenzielle Vermittlungsinstanz sowie der USA werden mit Spannung beobachtet.
Georg Bauer ist Historiker, auf Menschenrechte und Demokratisierungsprozesse spezialisiert und war als Forscher sowie im Rahmen diplomatischer Missionen in Myanmar tätig. Majid Lenz ist Referent für Myanmar bei der Stiftung Asienhaus mit Sitz in Köln und analysiert die Situation im Land regelmäßig in verschiedenen Medien. Reden Sie mit Xaver Forthuber und seinen Gästen über die aktuellen Entwicklungen, ihre Bedeutung für Südostasien und die Welt und über mögliche Zukunftsszenarien für Myanmar und seine Bevölkerung: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at.