David Afkham

David Afkham - GISELA SCHENKER

Das Ö1 Konzert

Alban Berg und Franz Schmidt

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Dirigent: David Afkham; Christian Tetzlaff, Violine. Alban Berg: Konzert für Violine und Orchester, "Dem Andenken eines Engels"; Franz Schmidt: Symphonie Nr. 4 C-Dur (aufgenommen am 17. November im Herkulessaal der Münchner Residenz)

Zwei Debüts

Der Herkulessaal der Residenz München konnte mit zwei Debüts aufwarten. Der 40-jährige Freiburger David Afkham stand zum ersten Mal am Pult des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks. Und zum ersten in seiner 74-jährigen Geschichte spielte das Orchester eine Symphonie von Franz Schmidt.


Weder Epigone noch Eklektiker

Das Werk beginnt mit eine 23-taktigen Trompetenschalmei, 22 Takte unbegleitet. Sie endet auf dem Grundton C, bevor Violinen stützen, dann Bratschen, dann Kontrabässe einsetzen, zuletzt das Lieblingsinstrument des Komponisten, die Celli. Schmidts 4. Symphonie entstand 1932-1933. Das Adagio hat er als "Requiem für meine liebe Tochter" bezeichnet, die 30-jährig fünf Wochen nach der Geburt ihrer Tochter starb. In diesem 2. Satz geht einem, sagt Afkham, ein großer Trauermarsch "durch Mark und Bein . ein wunderbares Cellosolo . das letzte Adieu" des Cellisten an seine Tochter. Der Scherzosatz ist eine "Referenz an Bach vielleicht, sehr gut kontrapunktisch gearbeitet", immer "mit Verbindungen zurück zum Trompetenmotiv." In jeder Variation tritt dieses Motiv auf - "einfach genial gearbeitet", schwärmt Afkham. Die Symphonie endet mit dem Trompetensolo, das den fast 50-minütigen Musikstrom ausgelöst hat, "die letzte Musik, die man ins Jenseits hinübernimmt, nachdem man unter ihren Auspizien geboren wurde und gelebt hat." Der als Untertan Österreich-Ungarns in Pozcony, also Pressburg, im heutigen Bratislava, 1874 geborene Franz Schmidt vollendete seine 4. Symphonie am 16. November 1933 in der Lohnsteinstraße 4, in seinem Haus in Perchtoldsdorf bei Wien. Den Schlusssatz verstand Franz Schmidt "ein Sterben in Schönheit, wobei das ganze Leben noch einmal vorüberzieht." Als würde sich der Komponist mit dieser Musik, dieser Kompositionskunst, mit dem aus Dissonanzen sich befreienden, auch narkotisierenden Wohlklang und der Melodienflut gegen die Brutalitäten der totalitären Regimes dieser "großen Zeit" abschotten wollen, die Schmidts Zeitgenosse Karl Kraus, auf den 1. Weltkrieg gemünzt, "noch gekannt" hatte, "wie sie so klein war."


Mehr als ein Engel

13 Monate nach der Uraufführung der 4. Symphonie Schmidts nahm Alban Berg im Februar 1935 den Auftrag für ein Violinkonzert an. Am 23. April 1935 erhielt Berg die Nachricht vom Tod der 18-jährigen Manon Gropius, der Tochter von Alma Mahler-Werfel und dem Architekten und Begründer des Bauhauses in Weimar Walter Gropius. Der Schock und die Trauer bewirkten einen Inspirationsschub. Gewidmet ist das Konzert "Dem Andenken eines Engels". Gemeint ist, so die offizielle Lesart, Manon Gropius. Das Werk soll die "Wesenszüge des jungen Mädchens" musikalisch fassen.
In der Musik erklingt die Kärntner Volksweise "A Vegale af'n Zwetschpmbam" (Ein Vogel auf dem Zwetschgenbaum). Der Sänger träumt, dass eine "Miazele" zu ihm ins Bett käme - aber bitte ohne Rosenkranz. War Manons "Mizzi" oder "Miazale" Manons Kosename? Nein, sie wurde "Mutzi" gerufen. Aber 1902 hatte im Haushalt der Familie Berg Berg im 1894 von der Familie erworbenen "Berghof" am Südufer des Ossiacher Sees, ein Küchenmädchen namens Marie Scheuchl gearbeitet. Marie - "Mizzi" - verließ die Bergs im selben Jahr - schwanger. Das Neugeborene wurde "Albine" getauft. Alban Berg erkannte die Vaterschaft an.
In der Partitur schreibt Berg: "Introduktion" und - ungewöhnlich - in Klammer gesetzt: "10 Takte". Hinter dieser Zahl verbirgt sich ein dritter Engel: die Summe der Buchstaben des Namens "Hanna Fuchs", der großen, "unmöglichen" Liebe Alban Bergs zu Hanna Fuchs-Robettin, ergibt zehn. Es ist nicht die einzige zahlensymbolische Botschaft. Seinen ersten Bronchialasthma-Anfall erlitt der 23-jährige Berg am 23. Juli 1908. Von Manons Tod hatte er am 23. April erfahren. Den zweiten Satz des Konzerts lässt Berg nach 230 Takten enden. Das Particell ist mit 23. Juni datiert. Die Widmung - Dem Andenken eines Engels - hat 22 Buchstaben: Manon Gropius verstarb am 22. April 1935. 22 Takte zählt Bergs Bach-Zitat im Adagio-Satz: "Es ist genug! so nimm, Herr, meinen Geist". Berg fügt dem Bach-Choral aus der Kantate "O Ewigkeit, du Donnerwort" allerdings zwei Takte hinzu, usw.

Service

ResearchGate - Norbert Tschulik, franz schmidt, Verlag Elisabeth Lafite Wien 1972 (Österreichische Komponisten des XX. Jahrhunderts, Band 18)

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Alban Berg/1885 - 1935
Titel: Konzert für Violine und Orchester
Populartitel: Dem Andenken eines Engels
* Andante - Allegretto - 1.Satz
* Allegro - Adagio - 2.Satz
Violinkonzert
Solist/Solistin: Christian Tetzlaff /Violine
Orchester: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: David Afkham
Länge: 27:00 min
Label: EBU

Komponist/Komponistin: Franz Schmidt/1874 - 1939
Titel: Symphonie Nr.4 in C-Dur
* Allegro molto moderato - 1.Satz
* Adagio - 2.Satz
* Molto vivace - 3.Satz
* Allegro molto moderato - 4.Satz
Orchester: Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: David Afkham
Länge: 46:20 min
Label: EBU

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