Technikutopie und Heilsversprechung

26. Jänner 2024, 13:00

Spätestens seit der Veröffentlichung des textbasierten digitalen Dialogsystems ChatGTP ist die Künstliche Intelligenz (KI) zur Projektionsfläche für vielfältigste Spekulationen geworden. Von dystopischen Zukunftsszenarien, in denen die Menschen von den Maschinen versklavt und schließlich verdrängt werden, bis hin zu optimistischen quasireligiösen Heilsversprechungen, in denen wir nicht mehr arbeiten müssen und eine immense Erweiterung unserer Verwirklichungsmöglichkeiten und unseres Bewusstseins erfahren, reichen die sich um KI rankenden Narrative.

Der Soziologe Stefan Selke, der sich mit den Wechselwirkungen zwischen sozialen und technologischen Innovationen auseinandersetzt, hat in seinem aktuellen Buch "Technik als Trost" die optimistischen Erwartungen und Visionen hinsichtlich KI untersucht. Aufbauend auf sozialwissenschaftlichen und -philosophischen Überlegungen hat er umfangreiche Quellen für seine Analyse herangezogen - Science-Fiction Literatur, Theater und Film, Medien und Podcasts, auch politische Strategiepapiere. Welche Vorstellungen, Bilder, Erzählungen nähren den Wunsch, durch KI eine bessere Welt zu schaffen? Durch KI von den Launen menschlichen Schicksals erlöst zu sein?

KI als Metanetzwerk, das digitale Systeme weltweit miteinander verbindet, erfordert eine neue Art der Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Fragen: Wo beginnt, wo endet menschliches Bewusstsein und in welcher Weise wird es durch KI herausgefordert? Wodurch unterscheiden sich auf KI basierte, säkulare Heilsversprechen von religiösen? Gibt es historische Beispiele, woher die großen Technikerwartungen kommen, die mit KI verknüpft sind? Wie schnell werden Technikutopien durch reale technische Innovation eingeholt? Welche Rolle spielt KI für utopische Gesellschaftsentwürfe?

Stefan Selke, der auch Luft- und Raumfahrttechnologie studiert hat und erst unlängst ein halbes Jahr für die European Space Agency in Paris gearbeitet hat, schreibt derzeit an einem neuen Buch mit, das sich mit der Besiedelung des Mars beschäftigt und sich die Frage stellt, welche Rolle KI dabei spielen könnte und welche sie heute schon in der Weltraumfahrt spielt.

Über die vielfältigen Facetten der KI als Technikutopie und Heilsversprechen diskutiert Andreas Obrecht mit Stefan Selke und den Hörerinnen und Hörern von Punkt eins.

Wie immer freut sich die Punkt eins Redaktion über Ihre rege Teilnahme unter punkteins(at)orf.at oder unter 0800 22 69 79 telefonisch während der Sendung.

Service

Buch:
Stefan Selke (2023): Technik als Trost. Verheißungen Künstlicher Intelligenz. transcript Verlag Bielefeld

Sendereihe

• Punkt eins

Gestaltung

• Andreas Obrecht