Wissensvorsprung

6. Februar 2024, 06:57

Für den Homo Sapiens hat Jahrtausende lang das Prinzip gegolten: Information bedeutet Vorsprung. Also zum Beispiel, wenn es vor 40.000 Jahren im Gebüsch geraschelt hat, war es hilfreich, wenn der eine Homo Sapiens dem anderen gesagt hat: "Pass auf, dort im Busch befindet sich vermutlich ein Säbelzahntiger." Das war definitiv eine lebensverlängernde Information.

Dank des Internets erfahren wir aber jetzt ständig, wo sich weltweit die modernen Säbelzahntiger befinden. Ich erfahre in Niederösterreich sitzend von der Schuldenkrise in Argentinien, der Tsunami-Warnung in Lombok und sogar von der Zeckengefahr in Japan. Manchmal frage ich mich, ob die japanischen Nachrichten auch über das Hochwasser in Kritzendorf berichten. Ehrlich gesagt, hoffe ich nicht.

In den letzten Jahren komme ich immer mehr zur Erkenntnis: Wissen kann unheimlich belasten. Ein Satz, den man vielleicht nicht über jede Schule schreiben sollte. Jedoch auch im Supermarkt fallen mir immer mehr verunsicherte Konsumenten auf, die, bevor sie ein Produkt ins Einkaufswagerl legen, sich sämtliche Inhaltsstoffe ganz genau durchlesen. Die wissen dann vom Waldhonig alles: die Blütenquellen, Säuregehalt und vermutlich das Wlan-Passwort vom Imker.

Aber der chronische Bescheidwisser muss ständig auf der Hut sein. Giftstoffe, Geldabwertung, Tigermücke. Für mich sind Informationen immer häufiger nur noch verkleidete Sorgen. Das meine ich gar nicht ironisch, aber aktive Ahnungslosigkeit ist ein Luxus, den ich mir gelegentlich gönne. Ich finde auch manchmal Trost bei folgender Überlegung: Ich bin nicht uninformiert, sondern ich habe nur mein Wissen an andere Gehirne ausgelagert.

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