Demokratielabor Bhutan

16. Februar 2024, 13:00

Während in Europa Stimmen laut werden, das europäische Parlament nicht mehr direkt zu wählen, sondern dessen Abgeordnete durch die nationalen Parlamente zu entsenden - ein Vorschlag, der von vielen als Rückbau der Demokratie interpretiert wird -, feiert das kleine, gebirgige, zwischen China und Indien liegende Land Bhutan heuer das 15-jährige Bestehen seiner Verfassung.

Im Jänner hat die vierte Wahl stattgefunden, ein friedlicher Machtwechsel war die Folge - Tshering Tobgay, der zwischen 2013 und 2018 schon einmal Premierminister war, führt die Regierung wieder an. Bhutan ist als ehemals absolutistisch regiertes buddhistisches Königsreich das einzige Land der Welt, in dem Demokratie gleichsam per königlichem Dekret der Gesellschaft verordnet wurde. 2001 hat der damalige König Jigme Singye Wangchuck verkündet, dass die Abgabe seiner politischen Macht, die Transformation des Absolutismus zur demokratisch-konstitutionellen Monarchie, die Partizipation der Bevölkerung an politischen Entscheidungen unabdingbar sind, um sein Land in die moderne Welt des 21. Jahrhunderts zu führen.

Die Demokratisierung der bhutanischen Gesellschaft ist Teil des Konzeptes "Bruttonationalglück", das den Erfolg der Politik nicht anhand wirtschaftlicher Parameter, sondern anhand von Indikatoren wie Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger, nachhaltige soziale, ökologische, religiöse und kulturelle Entwicklungen misst. König Wangchuck ließ von einer Kommission mit Mitgliedern aus allen Teilen der Gesellschaft einen Verfassungsentwurf erarbeiten und reiste dann persönlich durch alle 20 Provinzen des Landes, um diesen den Menschen zu erklären und darüber zu diskutieren. Schließlich wurde eine finale Version der Verfassung vorgelegt. 2008 fanden dann die ersten Wahlen statt, nachdem demokratische Institutionen wie Oberster Gerichtshof, Parlament etc. errichtet worden waren und ein Mehrparteiensystem etabliert worden war. Am 8. Juli des gleichen Jahres trat die Verfassung - gezeichnet von Volksvertretung und König - in Kraft.

Was braucht Demokratie, um transparent, sozial ausgleichend und partizipativ funktionieren zu können? Lässt sich von dem kleinen Königreich am Fuße des Himalaya etwas lernen? Wen begünstigt Gewaltentrennung und Teilung von Herrschaftsbefugnissen - und welche Auswirkungen haben Demokratisierungsprozesse auf wirtschaftliche Entwicklungen?

In Bhutan jedenfalls haben die demokratischen Entwicklungen mit sozioökonomischen korrespondiert: innerhalb einer Generation ist aus einem Land bitterster Armut ein Land mittleren Einkommens geworden, weshalb auch die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit ihr Büro in Thimphu mit Ende letzten Jahres geschlossen hat. Ein starkes Zeichen, dass die entwicklungspolitischen Ziele erreicht werden konnten.

Die Juristin Michaela Windischgrätz von der Universität Wien, die u.a. ein Austauschprogramm mit Bhutan leitet, und die zuständige Programm-Managerin für Bhutan bei der Austrian Development Agency (ADA), Birgit Weyss sind Gäste bei Andreas Obrecht
.
Wie immer freut sich die Punkt eins Redaktion über rege Teilnahme der Hörerinnen und Hörer an der Sendung, unter punkteins(at)orf.at oder unter 0800 22 69 79 telefonisch während der Sendung.

Sendereihe

• Punkt eins

Gestaltung

• Andreas Obrecht