Marko Lipuš
Im Gespräch
Klemens Renoldner über Opfer und Täter
"Für den Großvater bestand die Welt aus Halunken und Anständigen" - Renata Schmidtkunz im Gespräch mit dem Schriftsteller, Dramaturg und Literaturwissenschaftler Klemens Renoldner
16. Februar 2024, 16:05
Am 13. März 1938 änderte sich das Leben des oberösterreichischen Gendarmarie-Major Alois Renoldner. Einen Tag, nachdem Adolf Hitler eine Rede am Linzer Hauptplatz gehalten hatte, wurde er auf Geheiß seines Vorgesetzten, Oberst Ewald Simmer, verhaftet und erst ins Linzer Landesgefängnis und dann ins KZ Dachau gebracht. Im Februar 1939 konnte er zu seiner Familie heimkehren. Ewald Simmer, ein fanatischer Anhänger des Nationalsozialismus, wurde im Februar 1946 von den Alliierten verhaftet und angeklagt. Sein Prozess, der mit einem Freispruch endete, und seine Haftentlassung 1948 zeigten, auf welch wackligen Beinen die Entnazifizierung in Österreich stand.
Klemens Renoldner, geboren 1953 in Schärding am Inn, ist der Enkel des Linzer Gendarmarie Majors Alois Renoldner. In seinem 2023 im "Sonderzahl Verlag" erschienen Buch "Geschichte zweier Angeklagter" erzählt er die Geschichte seines Großvaters und dessen Widersacher aus zwei unterschiedlichen Perspektiven: Beide waren Häftlinge, beide waren von ihrer Unschuld überzeugt. Als Quellen nutzte Klemens Renoldner einen Bericht über die sechs Monate währende Untersuchungshaft, die er im oberösterreichischen Landesarchiv entdeckt hatte. Im Falle von Simmer bekam er Einblick in die Prozessakten des Linzer Volksgerichts.
Der Literaturwissenschaftler und Dramaturg Renoldner, er war unter anderem für das Burgtheater und die Wiener Festwochen tätig, ist Gründungsdirektor des Stefan Zweig Zentrums an der Universität Salzburg, das er von 2008 bis 2018 führte. Zahlreiche Lehraufträge führten ihn unter anderem an die Universitäten von Salzburg, Bern, Freiburg, Innsbruck und Verona, sowie an Universitäten in den USA und Lateinamerika. Im Gespräch mit Renata Schmidtkunz erklärt Klemens Renoldner, wie er auf die Idee kam, dieses Stück Familiengeschichte zu recherchieren, was ihn dabei überrascht hat und was er über das Selbstverständnis von politischen Opfern und nationalsozialistischen Tätern gelernt hat.