Himmelfahrten

6. Mai 2024, 06:57

Die europäische Malerei wird von Christi Himmelfahrt, das Christinnen und Christen diese Woche feiern, immer schon herausgefordert. Von Giotto bis William Blake haben Maler versucht, dem merkwürdigen Ereignis beizukommen.

In der Apostelgeschichte 1,11 heißt es: "Als er (Jesus) das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm in auf und entzog ihn ihren Blicken." Die Schwierigkeit der Darstellung dieses Ereignisses liegt darin, dass Körper von Gewicht normalerweise nicht einfach so emporgehoben werden. Unsere Augen wissen intuitiv, dass nur das ganz Leichte, ohne Zuhilfenahme von Flügeln oder Motoren, in die Lüfte gleiten kann. Doch menschliche Körper von, sagen wir, 70 Kilo stehen im Bann der Erdanziehung und widersetzen sich einer mühelosen Himmelfahrt. Im Widerspruch zwischen der Körperlichkeit Jesu und seiner simultanen Schwerelosigkeit liegt die artistische Herausforderung.

Nicht selten wird sie von den Künstlern umgangen, indem sie die Wolken, denen die Apostelgeschichte nur verhüllende Wirkung zugesteht, in Hebebühnen umfunktionieren, so etwa bei Rembrandt oder Tintoretto. El Greco verleiht Jesus einen ausgebleichten Körper, der einer bloßen Hülle ähnelt, wodurch plausibler erscheint, dass er wie ein Ballon in die Lüfte aufsteigt. Eine elegante Darstellung der Himmelfahrt Christi aus Elfenbein, im Wiener Kunsthistorischen Museum, löst das physikalische Problem durch eine Hand, die aus den Wolken herabgreift und Jesus samt seiner Kleidung in den Himmel hochzieht.

Wie dem auch sei: Die visuelle, d.h. empirische, Darstellung des Himmelfahrts-Wunders entfaltet nur dann Wirkung, wenn physikalische Intuition und Theologie irgendwie versöhnt werden. Ohne wundersame Tricks, auf- und abfahrende Wolken, tragende Engelsrücken oder aus den Wolken reichende Hände, bleibt das renitente, irdische Gewicht des Körpers ein darstellerisches (und wohl auch theologisches) Problem.

Service

Dominik Barta, "Vom Land", Verlag Zsolnay
Dominik Barta, "Tür an Tür", Verlag Zsolnay

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