Das "russische Gesetz" ist wieder da

8. Mai 2024, 13:00

Immer wieder gingen in der georgischen Hauptstadt Tiflis in den vergangenen Wochen Tausende Menschen auf die Straße, um friedlich gegen ein Gesetzesvorhaben zu demonstrieren, das sie als den georgischen Klon des russischen Gesetzes gegen "ausländische Agenten" betrachten. Den Protesten setzte die Staatsmacht mit dem Einsatz von Tränengas und Gummigeschossen ein Ende.

Das Gesetz gegen "ausländische Einflussnahme" sieht vor, dass Medien und NGOs, die zu mehr als 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, sich registrieren müssen und ihre Finanzen offenlegen. Offiziell soll das für mehr Transparenz in einem Land sorgen, das jahrzehntelang unter endemischer Korruption zu leiden hatte. Die Demonstrierenden (und auch die EU) befürchten indes, dass das Gesetz die Zivilgesellschaft in Georgien aushöhlen und kritische Stimmen mundtot machen wird.

Die Regierungspartei Georgischer Traum hatte das umstrittene Gesetz bereits im vergangenen Jahr verabschieden wollen, doch nach breiten Protesten zurückgezogen. Nun ist es - fast unverändert - wieder da und soll Mitte Mai im Parlament verabschiedet werden.

Wie steht es angesichts dieser Gemengelage um den EU-Kandidatenstatus, den Georgien seit Dezember 2023 offiziell hat? Wie populär ist der Wunsch nach europäischer Integration bei den 3,7 Millionen Georgier:innen? Welche Folgen hätte es, wenn das "russische Gesetz", wie es viele in Georgien nennen, tatsächlich verabschiedet wird? Wird es den Exodus junger, gut ausgebildeter Menschen aus Georgien noch verstärken? Werden die gerade aufgenommenen EU-Beitrittsverhandlungen auf Eis gelegt?

"Die Tür zuzuschlagen, ist keine Option", befindet dazu die Pariser Zeitung "La Croix": "Trotz der Risiken und trotz des Drucks aus Moskau müssen die Europäer, die die größten Geldgeber des Landes sind, die pro-demokratischen Bestrebungen weiterhin unterstützen. Gerade einige Monate vor der georgischen Parlamentswahl im Oktober."

Noch weitere Spannungen bedrohen die Stabilität der kleinen Kaukasus-Republik am Schwarzen Meer: 100.000 bis 150.000 Russen, die ihr Land aus den verschiedensten Gründen seit Februar 2022 verlassen haben, wohnen seither als Langzeittouristen in Georgien. Willkommen sind sie dort meist nicht: Zum einen, weil die kaufkräftige russische Klientel die Preise für Wohnraum und Lebenshaltungskosten in die Höhe treibt, zum anderen, weil es russische Soldaten sind, die seit 2008 20 Prozent des georgischen Staatsgebiets besetzt halten: die Regionen Südossetien und Abchasien. Die ethnischen Spannungen werden zusätzlich durch die vielen ukrainischen Kriegsflüchtlinge verschärft, die ebenfalls in Georgien Schutz suchen.

Alexander Musik diskutiert mit Stephan Malerius, Leiter des Regionalprogramms Politischer Dialog Südkaukasus der Konrad-Adenauer-Stiftung und der georgischen Künstlerin und Filmemacherin Tatia Skhirtladze vom Institut für Kunstwissenschaften und Kunstpädagogik der Universität für angewandte Kunst, Wien.

Wie immer sind Sie eingeladen, sich an der Sendung zu beteiligen. Kostenlos aus ganz Österreich können Sie uns unter 0800 22 69 79 erreichen; oder Sie schreiben uns ein Mail an punkteins(at)orf.at

Sendereihe

• Punkt eins

Gestaltung

• Alexander Musik