ORF/JOSEPH SCHIMMER
Ö1 Hörspiel
Eine bittere Komödie des jungen G. E. Lessing
"Die Juden". Von Gotthold Ephraim Lessing. In diesem Stück thematisiert Lessing Antisemitismus, Toleranz und Humanität. Das "ernste Lustspiel", geschrieben 1749, gilt als Vorstufe und komisches Gegenstück zu "Nathan, der Weise". (ORF/NDR 2016)
18. Mai 2024, 14:00
Für Emanzipation, Bildung und allgemeine Menschenrechte - gegen Vorurteile und Diskriminierung, für religiöse Toleranz und für Humanität und für die Vernunft als Urteilsinstanz. Das waren wesentliche Kennzeichen der "Aufklärung" (the Enlightenment) und der deutsche Dichter Gotthold Ephraim Lessing (1729 -1781) war einer ihrer bedeutendsten Vertreter.
Seine Dramen und seinen theoretischen Schriften sind vor allem dem Gedanken der Toleranz und Vorurteilsfreiheit verpflichtet. Lessings Stück "Die Juden", ein "Lustspiel in einem Aufzuge", geschrieben 1749, thematisiert Antisemitismus und das Verhalten einem "Fremden" gegenüber. Lessings Jugendwerk gilt als Vorstufe und komisches Gegenstück zu "Nathan, der Weise".
Neu und kühn ist, wie Lessing seine Hauptfigur zeichnet. Zum ersten Mal in der Geschichte des Theaters betritt die Figur eines positiv gezeichneten Juden die Bretter des Welttheaters. "Ich bin ein Jude" - dieser lapidare Satz, den der fremde Held der Geschichte, ein Reisender, gegen Ende sagt, kippt das vorgeblich lustig-feine Spiel um Identitäten, das Lessing mit gerade einmal 20 Jahren geschrieben hat, in bittere Realität: "Ein Jude? Grausamer Zufall!" sagt der Baron und es wird klar, dass er seine Tochter einem Juden nicht zur Frau geben kann. Und Christoph, der Bedienstete des Reisenden, wirft diesem vor: "Sie sind ein Jude, und haben das Herz gehabt, einen ehrlichen Christen in ihre Dienste zu nehmen? Sie hätten mir dienen sollen. So wäre es nach der Bibel recht gewesen!"
Lessings Stück, geschrieben 1749, berichtet von einer bitteren Tatsache: Dass es gegen die Aufklärung und ihr Ziel, das allgemein "Menschliche" als Wesentliches unseres Seins zu verstehen, immer wieder Versuche gab und gibt, Differenzen zu konstruieren und zu behaupten.
Mit Michael Maertens, Peter Matic, Cornelius Obonya u.a., Musik: Peter Kaizar, Regie: Leonhard Koppelmann (ORF/NDR 2016).