Zwischenruf

Eine Zahl mit vielen Bedeutungen

von Regina Polak, Religionssoziologin und Theologin

"Mit 50 beginnt das Jungsein der Alten", sagt ein französisches Sprichwort. "Mit 50 hat Konfuzius den Willen des Himmels erkannt", erzählt man sich in China über den berühmten Philosophen.

In der esoterischen Numerologie steht die Zahl 50 für die Erfahrung einer besonderen Freundlichkeit, einer Heilung oder gar einer Gnade, die einem zu Teil wird. Und 50 Tage nach Ostern feiern Christinnen und Christen Pfingsten - abgeleitet vom griechischen Wort Pentekoste, das bedeutet 50.

50 ist eine besondere Zahl. Auch in der Bibel. In vielen ihrer Texte signalisiert die 50 eine besondere Art der Einheit: nämlich die Verbindung, die Vereinigung der Menschen mit Gott und untereinander. Diese Art der Einheit ist freilich niemals erzwungen und führt nicht zu Uniformität. Vielmehr enthüllt und bejaht die biblisch bezeugte Einheit immer die Vielfalt der Schöpfung. Die 50 symbolisiert eine Einheit, die durch Beziehungen entsteht, die von Anerkennung, Liebe, Recht und Gerechtigkeit geprägt sind.

So schließt Gott 50 Tage nach dem Auszug der Hebräer aus der Sklaverei in Ägypten mit seinem Volk Israel einen Bund und übergibt diesem am Berg Sinai die Thora. Mit deren Hilfe sollen die Beziehungen der Menschen mit Gott und untereinander gestaltet werden. Bis heute feiern Jüdinnen und Juden 50 Tage nach Pessach, der Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, das Wochenfest Schawuot - das bedeutet 50 - und gedenken dabei dieser Übergabe.

Levitikus, das dritte Buch Mose, widmet sich mit seinem Gesetzescorpus der Frage, wie Israel diese innige Verbindung mit Gott bewahren und immer wieder Versöhnung finden kann. Im 24. Kapitel findet sich z. B. das Gebot zum Jobeljahr - und darin wieder einmal die Zahl 50. Alle 50 Jahre sollen nämlich alle Bürgerinnen und Bürger Israels befreit, die Schulden erlassen und das Land wieder gerecht verteilt werden. So soll die Einheit mit Gott und untereinander wieder erneuert werden.

Und 50 Tage nach der Auferstehung des Jesus von Nazareth ergießt sich laut der Apostelgeschichte der Heilige Geist über all die Frauen, Männer und Kinder, die nach Jerusalem gepilgert sind. Sie kommen aus allen Weltteilen: Parther, Meder, Elamiter, Kreter und Araber, Juden und Heiden. Sie alle hören, wie die Apostel Gottes große Taten verkünden. Und wie durch ein Wunder versteht jeder und jede diese Botschaft in seiner eigenen Sprache.

In einer Welt, zerrissen von Spannungen und Spaltungen, Konflikten und Kriegen, ist Pfingsten für mich ein Fest der Hoffnung, dass die Menschen guten Willens mit Gottes Hilfe mit all den kulturellen, religiösen, weltanschaulichen und sozialen Unterschieden in Gerechtigkeit und Frieden zusammenleben können. Und vielleicht ermutigt Pfingsten auch Menschen mit einer nicht religiösen Weltanschauung an einer gesellschaftlichen Einheit mitzuwirken, in der es normal ist, verschieden zu sein. In einer "50er-Einheit" werden die Alten wieder jung, der Wille des Himmels tut sich kund und alle können in ihrer eigenen Sprache sprechen und werden von anderen verstanden - weil Einheit nicht durch Zwang, sondern Freiheit, Liebe und Gerechtigkeit wächst.

Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Traditional
Album: NEPAL SITAR / TARA BIR SINGH
Titel: Raja mati/instr.
Solist/Solistin: Tara Bir Singh /Sitar
Ausführender/Ausführende: Krishna Lal Nakarmi /Tabla
Ausführender/Ausführende: Amrit Hira Tuladhar /Tambura
Länge: 09:13 min
Label: spectrum SM 104550

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