Gedanken

Marlene Engelhorn: Wir Reichen sind reich genug

"Wenn die Politik versagt, müssen wir es selbst richten", fordert Millionen-Erbin Marlene Engelhorn, Österreichs berühmteste junge Erbin. Die Aktivistin überlässt die Entscheidung über die Rückverteilung von einem Großteil ihres Erbes einem Bürger:innen-Rat.

Marlene Engelhorn hat einen zweistelligen Millionen-Betrag von ihrer Großmutter geerbt. Einen Teil davon, 25 Millionen Euro, möchte sie zurück an die Gesellschaft verteilen. Denn Vermögen, so die Aktivistin, ist in Österreich ungleich verteilt - und damit auch Macht. Einem Prozent der Menschen gehört die Hälfte des gesamten Nettovermögens. 99 Prozent der Menschen müssen sich die andere Hälfte teilen.

Mehr als zwei Drittel der Menschen in Österreich, quer durch alle Schichten, sind für Steuern auf Vermögen. Eigentlich wäre es der Auftrag der Politik, zu handeln und Steuern auf Vermögen und Erbschaften einzuheben. Allerdings wurde die Erbschaftssteuer 2008 abgeschafft. In den kommenden 30 Jahren werden in Österreich (vorsichtig geschätzt) 600 Millionen Euro geerbt. Knapp die Hälfte dieser Erbschaften landet im reichsten Zehntel der Haushalte (Household Finance and Consumption Survey - HFCS - 2021).

Marlene Engelhorn stammt aus einer reichen Industriellenfamilie, die 1996/97 ihr Unternehmen Boehringer Mannheim verkaufte. Ihr Vermögen ist reine Glückssache, weil sie in die "richtige" Familie geboren wurde. Aber: "Reichtum entsteht nie im Vakuum, sondern immer im Austausch mit anderen", ist Marlene Engelhorn überzeugt. "Dynastien häufen über Generationen Geld und Macht an und halten ihre Steuern - also ihren Beitrag an der Gesellschaft - so gering wie möglich. Doch ohne diese Gesellschaft gäbe den Reichtum gar nicht."

Da die Politik ihrer Meinung nach nicht die entsprechenden Hebel setzt, um die Rahmenbedingungen zu verändern und für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, nimmt Marlene Engelhorn es selbst in die Hand - genauer gesagt: sie gibt es aus der Hand. Über die Verteilung der 25 Millionen Euro entscheidet ein Bürger:innen-Rat, der seit April an mehreren Wochenende tagt, der so genannten "Gute Rat". 50 Menschen wurden für den Guten Rat über ein mehrstufiges Verfahren ausgewählt, so dass sie Österreichs Bevölkerung hinsichtlich Geschlecht, Herkunft, Einkommen, etc. möglichst gut abbilden. Diese 50 Menschen treffen einander an sechs Wochenenden und bekommen von Expert:innen unter anderem Input zur Vermögensverteilung und deren Auswirkungen auf Politik und Gesellschaft in Österreich. Marlene Engelhorn hat bei der Verteilung der 25 Millionen Euro kein Mitspracherecht.

Die Entscheidung über die Verteilung des Geldes soll am 9. Juni fallen. Marlene Engelhorn macht sich anlässlich der Entscheidung Gedanken über Vermögen, Gerechtigkeit, partizipative Prozesse und darüber, welche Verantwortung jede und jeder einzelne übernehmen kann, um etwas zu mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft beizutragen.

Sendereihe

Gestaltung

  • Margit Atzler