Menschenbilder

Melanie Volle-Berger, 102-jährige olympische Fackelträgerin

"Damit bin ich nicht einverstanden." Die ehemalige Résistance-Kämpferin Melanie Volle-Berger trägt am 22. Juni die Fackel ein Stück ihres Weges nach Paris.

Wenn man ihr begegnet, kann man nur beeindruckt sein, so ging es dem damaligen Bundespräsidenten Heinz Fischer und vielen anderen. Wen man im Altersheim in St. Etienne in Frankreich anruft, weiß man dort sofort, wen man sprechen will, wenn man mit ein paar Worten Französisch zu sagen versucht, dass man sie gerne sprechen will: Dieser Tage war eine Meldung auf der Homepage eines Sport-TV-Senders ihr gewidmet, weil sie wieder einmal eine Fackel trägt, nicht die einer Revolution, sondern die eines hoffentlich völkerverbindenden Ereignisses - der Olympischen Spiele dieses Sommers.

Mit 16 Jahren ist Melanie Volle-Berger 1938 aus Österreich vor den Nazis nach Belgien geflohen, in Antwerpen arbeitete sie trotz ihres Status als illegale Ausländerin für die Auslandsorganisation der Revolutionären Kommunisten. Bereits als 15-Jährige hatte sie begonnen, für die Partei zu arbeiten, Treffpunkt der Anhänger/innen der verbotenen Partei war ein Nacktbadestrand in der Wiener Lobau. In einem Interview erzählte sie einmal, dass sie ihre ersten politischen Diskussionen wohl nackt begonnen hätte ...

1939 geht Volle-Berger nach Paris, wo sie ihre Tätigkeit im Widerstand als Verbindungsfrau zwischen den Stützpunkten in Antwerpen, London, Zürich und New York fortsetzt. 1942 wird sie wegen der Verteilung von deutschsprachigen Flugblättern verhaftet und wegen "kommunistischer und anarchistischer Aktivität" zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Zwei Jahre verbringt sie in einem Gefängnis in Marseille, lernt französisch, bis sie mit Hilfe einer österreichischen Widerstandsgruppe fliehen kann. Sie nimmt mit der französischen Widerstandsbewegung Kontakt auf und setzt ihr Engagement in der Résistance nun mit falschen Papieren und unter wechselnden Namen fort.

Nach der Befreiung lebt sie zunächst staatenlos in Paris und wird 1947 französische Staatsbürgerin. Nach ihrer Scheidung kehrt Melanie Berger nach Österreich zurück, lebt bei ihren Eltern und lernt hier den Journalisten Lucien Volle kennen, der führend in der Résistance tätig war. Nach 10 Jahren in Wien geht das Ehepaar zurück nach Frankreich, nach Drancy.

Melanie Volle-Berger arbeitet fort im Gemeindeamt, ihr Mann engagiert sich im ANACR, der nationalen Vereinigung der ehemaligen Widerstandskämpfer. Nach der Pensionierung übersiedelt das Ehepaar 1982 in die Haute-Loire und widmet sich bis zum Tod von Lucien Volle der Erinnerungsarbeit. Melanie Volle-Berger, die von sich sagt, dass sie bereits als Kind immer rebellisch war, ist viel als Zeitzeugin in Schulen unterwegs - für ihre unermüdliche Arbeit wurden ihr die Ehrenlegion, der französische Verdienstorden, und das goldene Verdienstzeichen der Republik Österreich verliehen. Ihre Enkelin Emilie Volle startete 1996 als 15-Jährige bei den olympischen Sommerspielen in Atlanta als Turnerin für die französische Mannschaft an.

Ihre Oma Melanie wünscht sich auch jetzt mit 102 Jahren ein Symbol für Frauen zu sein, "die dafür gekämpft haben, Sport zu treiben wie Männer". Am 22. Juni trägt sie die olympische Fackel ein Stück ihres Wegs in Richtung Paris.

Gestaltung: Petra Herczeg & Rainer Rosenberg

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