Zwischenruf

Vielfalt und Verbindendes im Glauben

von Stefan Schröckenfuchs, Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich

Als Superintendent der evangelisch-methodistischen Kirche vertrete ich eine der kleinsten Konfessionen Österreichs. Gerade einmal acht Gemeinden zählt diese Kirche in unserem Land. Da sollte es wohl leicht möglich sein zu sagen, was die wenigen "Methodist:innen" glauben.

Möchte man meinen. Tatsächlich erlebe ich sogar in unserer kleinen Kirche ein großes Maß an Diversität. Das hängt mit der Herkunft und der kulturellen Prägung unserer Mitglieder zusammen. Unsere Gemeinden sind sehr international. Die Mitglieder kommen aus den verschiedensten Bildungsschichten und arbeiten in den unterschiedlichsten Berufen. Manche haben sehr liberale Vorstellungen, andere sind in ihren Werten eher konservativ.

Was glaubt Österreich? Mit dieser Frage beschäftigt sich derzeit die multimediale Abteilung Religion und Ethik im ORF. Sie stößt dabei natürlich auf sehr unterschiedliche Ansichten.Aus diesem Anlass frage ich mich: Glauben denn die Methodist:innen Österreichs alle dasselbe? Die Antwort darauf lautet: In vielen Fragen ganz gewiss nicht! Wie aber geht sich so eine Vielfalt in einer so kleinen Kirche aus?

Aus meiner Sicht sind dafür zwei Grundüberzeugungen nötig, die Methodist:innen - so glaube ich jedenfalls - tatsächlich alle teilen. Die eine Grundüberzeugung ist: Wir glauben an einen Gott. Und damit meine ich, noch vor allen Detailfragen, wie dieser Gott nun wirklich ist, zunächst einmal nicht mehr, als dass wir alle anerkennen: Da ist etwas, das größer ist als ich selbst. Ich selbst bin nicht das Zentrum der Welt. Ich bin nicht der Schöpfer, ich bin ein Geschöpf. So wie meine Mitmenschen auch. Schon allein diese Einsicht lehrt mich Demut, und fördert den Respekt gegenüber meinen Mitmenschen.

Die zweite Grundüberzeugung ist die: Liebe ist das größte Gebot. Jemanden zu lieben muss nicht automatisch heißen, dass ich ihn mag. Jemanden zu lieben bedeutet im biblischen Sinne zunächst einfach nur, dass ich das Beste für sie oder ihn will. Und dass ich mich so verhalte, dass es meinem Gegenüber nicht schadet, sondern nach Möglichkeit dient.

Jemandem etwas Gutes zu wünschen oder gar zu tun, den ich eh mag, ist keine besondere Leistung. Viel schwerer ist es dagegen, die zu lieben, die mir auf den Nerv gehen. Doch gerade darauf kommt es aus christlicher Sicht im menschlichen Miteinander an: dass wir nicht nur unsere besten Freunde gut behandeln. Sondern dass wir darauf achten, keinem Menschen Schaden zuzufügen, ja sogar nach Möglichkeit etwas Gutes tun.

Ich denke, es braucht nicht viel mehr an Übereinstimmung als in diesen beiden Punkten: dass wir anerkennen, dass nicht ich das Zentrum der Welt bin, sondern dass es etwas gibt, das ist größer als ich. Und dass wir uns darüber verständigen, dass die Nächstenliebe die wichtigste Spielregel im menschlichen Zusammenleben ist.

Solange diese beiden Grundregeln den obersten Stellenwert behalten, bleibt für mich sehr viel Platz für unterschiedliche Meinungen in den Detailfragen des Lebens und Glaubens. Nicht nur in einer kleinen Kirche wie der meinen. Sondern ganz grundsätzlich für die Menschen in unserem Land.

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