LUXUNDLUMEN/MARLENE FRÖHLICH
Gedanken für den Tag
Sommer und Geschmack
Johanna Schwanberg, Direktorin des Dom Museum Wien, über den Sommer in der Kunst.
12. Juli 2024, 06:57
Was für ein unglaubliches Porträt! Auch wenn ich es schon unzählige Male im Kunsthistorischen Museum in Wien gesehen habe, fesselt es mich immer wieder aufs Neue. Denn es zeigt einen menschlichen Kopf im Profil, zusammengesetzt aus sommerlichem Obst und Gemüse. So besteht die Nase aus einer Gurke, die Wange aus einem Pfirsich, das Ohr aus einem Maiskolben und das Kinn aus einer Birne. Die Lippen sind aus Kirschen und die Zähne aus einer geöffneten Erbsenhülse gebildet. Gemalt hat diesen sogenannten "Kompositkopf" Giuseppe Arcimboldo. Der Spätrenaissancemaler war 1562 an den Wiener Hof berufen worden. Im Jahr darauf ist der "Sommer" als Teil einer in der Form noch nie zuvor gemalten Jahreszeitenserie entstanden.
Mich fasziniert diese Sommer-Darstellung aufgrund ihres überbordenden künstlerischen Einfallsreichtums. Auch, weil sich thematisch ausgesprochen aktuelle Bezüge ergeben. Denn der Kopf aus Obst und Gemüse lässt mich daran denken, wie sehr sich Menschen über das definieren, was sie essen - wie Nahrungsmittel zu einem Teil der Identität werden können.
Die Sommer-Personifikation Arcimboldos erinnert auch daran, wie eng früher die Ernährung mit bestimmten Jahreszeiten verbunden war. Eine Erfahrung, die heute aufgrund der ganzjährigen Verfügbarkeit von nahezu allen Obst- und Gemüsearten weitgehend verloren gegangen ist. Als Kind habe ich den ganzen Winter darauf gewartet, bis es wieder Sommer wird. Um endlich wieder den unvergleichlichen Geschmack von reifem Obst und Gemüse - von Erdbeeren, Kirschen, Marillen und Maiskolben empfinden zu können.
Service
Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Johannes Berauer
Album: Johannes Berauer: Vienna Chamber Diaries plus Strings
Titel: Indian Summer/instr.
Solist/Solistin: Klaus Gesing
Solist/Solistin: Wolfgang Muthspiel
Solist/Solistin: Gwyilm Silcock
Solist/Solistin: Christian Bakanic
Solist/Solistin: Johannes Dickbauer
Solist/Solistin: Florian Eggner
Solist/Solistin: Yuri Goloubev
Ausführender/Ausführende: Bernhard Schimpelsberger
Länge: 05:32 min
Label: Basho Records SRCD592