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Science Arena
These trifft auf Erfahrung
Hybride Männlichkeit: Wie teilen Eltern Carearbeit?
22. Juli 2024, 16:05
In einer aktuellen Studie untersuchte die Sozialwissenschaftlerin Gerlinde Mauerer das Arrangement von Paaren in Bezug auf Kleinkinderbetreuung. Bereits im Zeitraum 2013-2015 hatte es eine ähnliche Studie gegeben, um zu untersuchen, unter welchen Umständen Väter in Karenz gehen, wie sie diese Zeit gestalten und ob es Role-Models für Paare in der geteilten Betreuung ihrer Kinder gibt.
"Wir haben Paare befragt, ob und wenn ja wie sich elterliche Handlungspraxen im Vereinbaren von Erwerbsarbeit und Kinderbetreuung verändern, wenn beide Elternteile Elternkarenz und Kinderbetreuungsgeld beanspruchen", erzählt Soziologin Gerlinde Mauerer. In diesem Zusammenhang fällt der Begriff der hybriden Männlichkeit. "Die Übernahme von väterlicher Verantwortung und väterlicher Präsenz in der Familie wird in Österreich noch immer individualisiert betrachtet und von Männern vorrangig als Unterstützung ihrer Partnerinnen begriffen und nicht als selbstverständliche Praxis", erklärt Mauerer.
Erich Lehner ist selbst Vater und war in Karenz. Der Psychotherapeut und Vorsitzende des Dachverbandes für Männer-Burschen-, und Väterarbeit in Österreich plädiert für neue Männlichkeitsbilder und einer damit verknüpften gelebten Praxis. Wie können Väter Kompetenzen entwickeln, die bislang nicht als "männlich" betrachtet wurden, wie zum Beispiel die Versorgung ihrer Babys? Wie kann hegemoniale Männlichkeit, bei der die Hierarchie, der Wettkampf und die Anerkennung unter Männern an erster Stelle steht, durch eine sorgende Männlichkeit, eine Caring-Masculinity, ersetzt werden? Die gesellschaftlichen Auswirkungen eines Wandels von Männlichkeitsbildern sind schon lange wissenschaftlich untersucht: Caring Masculinity führt zu weniger Gewalt von Männern an Frauen, weniger Selbstmorde unter Männern, einer besseren Gesundheit von Männern.
Elisabeth Scharang diskutiert mit ihren Gästen über die wissenschaftlichen Thesen zur Nachhaltigkeit von Väterbeteiligung und fragt, warum im Stichmonat März nur 3,3 Prozent der Kindergeldbezieher*innen Männer waren. Es ist der tiefste Wert seit 15 Jahren. Warum sich in Österreich so wenig in der Frage der Väterkarenz und der Gleichstellung in der Kinderbetreuung tut, sieht Gerlinde Mauerer unter anderem im Prinzip der Wahlfreiheit. Internationale Vergleiche haben gezeigt, dass das Modell der Wahlfreiheit in der Karenzfrage zur Reproduktion von vorhandenen geschlechterspezifischen Unterschieden führe.
Gäste:
Gerlinde Mauerer, Sozialwissenschaftlerin an der Universität Wien
Erich Lehner, Psychotherapeut und Vorsitzender des Dachverbandes für Männer-Burschen-, und Väterarbeit in Österreich