Prozession in Qatar

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Punkt eins

Eskalation in Nahost

Israel im Mehrfrontenkrieg und im inneren Konflikt. Gast: Richard C. Schneider, Autor für das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel und ehemaliger ARD-Korrespondent in Tel Aviv, Buchautor und Filmemacher. Moderation: Johann Kneihs. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Die Sorge vor einer Ausweitung der Konflikte in Nahost ist groß. Irans Präsident Ayatollah Ali Khamenei hat einen direkten Angriff auf Israel angekündigt, als Antwort auf den Tod von Ismail Haniyeh, dem Leiter des Politbüros der Terrororganisation Hamas, mitten in Teheran - ein Anschlag, zu dem Israel sich nicht bekannt hat. Kurz davor hatte das israelische Militär einen hohen Kommandanten der Hisbollah in der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet, den Israel für den Tod von zwölf Kindern und Jugendlichen im Dorf Majdal Shams auf den Golanhöhen verantwortlich macht.

Bisher schienen die Konfliktparteien Israel, Iran und Hisbollah bemüht, eine weitere Eskalation zu vermeiden. Es blieb bei einzelnen Demonstrationen militärischer Macht, wie beim israelischen Angriff auf das iranische Konsulat in Damaskus im April dieses Jahres und dem darauffolgenden Luftangriff Irans und seiner Verbündeten auf Israel. Wie lange kann solche "dosierte Eskalation" weitergehen, ohne zum Krieg zu werden?

Was derzeit in Gaza und an Israels Nordgrenze geschieht, sei längst ein offener Krieg zwischen Israel und Iran, meint Richard C. Schneider, Buchautor und Filmemacher. Als Korrespondent in Israel und langjähriger Leiter des ARD-Büros in Tel Aviv hat er mit vielen Beteiligten der Konflikte gesprochen, mit Führern der Hamas ebenso wie mit radikalen israelischen Siedlern. Israel befinde sich in einem Krieg mit mehreren Dimensionen, so Schneider, darunter der innenpolitische Kampf des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und seiner Regierungskoalition um den Erhalt seiner Macht, auch um den Preis der Demokratie in Israel.

Netanyahu habe mit seiner geplanten Justizreform das Land im Innern geschwächt und schwäche es jetzt mit seiner Art der Kriegsführung, so Schneider weiter. Eine große Mehrheit im Land mache Netanyahu für die Ereignisse am 7. Oktober verantwortlich; fast 80% der Israelis wollten ihn nicht länger als Regierungschef - das Ende des Kriegs werde auch sein politisches Ende sein.

Welche Wechselwirkung besteht zwischen Israels inneren und äußeren Konflikten? Was bedeutet der Tod von Haniyeh - der auch seitens der Hamas Chefverhandler über einen Waffenstillstand mit Israel war - für das Schicksal der am 7. Oktober von der Hamas verschleppten Geiseln? Welche andere israelische Politik wäre angesichts der Bedrohung durch Iran und seine Verbündeten überhaupt denkbar - und besteht nach dem "Zivilisationsbruch" des 7. Oktober - dem Überfall der Hamas auf Israel mit beispielloser Grausamkeit - noch die Möglichkeit einer anderen als militärischen Antwort?

Johann Kneihs spricht mit Richard C. Schneider über Israel im Mehrfrontenkrieg, seine inneren und äußeren Herausforderungen und mögliche Wege im Nahostkonflikt.

Die Redaktion freut sich über Ihre Fragen und Beiträge zum Gespräch, telefonisch unter 0800 22 69 79 während der Sendung und per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Bücher:

Richard C. Schneider: Die Sache mit Israel. Fünf Fragen zu einem komplizierten Land. DVA 2023, aktualisierte Neuauflage im Oktober 2024

Richard C. Schneider: Wer hat Schuld? Wer hat Recht? Was man über den Nahostkonflikt wissen muss. Ullstein Verlage 2007

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