Gedanken

Ella Hochleitner: Türen zur Vergangenheit

Die Filmemacherin Ella Hochleitner bringt in ihrer Dokumentation "Trog - eine österreichische Familiengeschichte" Vergessenes, Verdrängtes und Verschüttgegangenes ans Tageslicht.

In Goldegg steht kurz vorm Böndlsee ein jahrhundertealtes Gehöft namens "Trog": ein unbewohnter, stummer Zeuge der Vergangenheit, von den schönen aber vor allem auch von den dunkelsten Momenten, die sich dort vor 80 Jahren ereignet und tief in die Familienchronik eingeschrieben haben. Tragödien, die eng verknüpft sind mit dem 2. Juli 1944, als im Pongau Jagd auf Deserteure und Wehrmachtsverweigerer gemacht wurde.
Für ihre Dokumentation ist Ella Hochleitner nacheinander mit elf ihrer Cousins und Cousinen in den Bauernhof zurückgekehrt, in dem sie einst aufgewachsen sind. Mit ihnen öffnet sie eine Tür nach der anderen, betritt Räume voller Erinnerungen und dringt auf diese Weise immer tiefer in die erschütternden Abgründe ihrer Familiengeschichte vor.

Im Mittelpunkt steht das Schicksal der Mutter der elf Geschwister und Halbgeschwister - der Bäuerin Theresia, die während der NS-Zeit nicht nur die Hinrichtung ihres Mannes, Vater ihrer ersten vier Kinder, sondern auch ihre eigene Inhaftierung im KZ überstehen musste. In den Jahren danach kommt es überdies zu schweren Fällen von sexueller Gewalt und Missbrauch. Doch mit eisernem Lebenswillen gelingt es Theresia allen Zerrüttungen zum Trotz, die Familie zusammenzuhalten.

Es sind die vielen verschiedenen Erzähl- und Erinnerungsperspektiven, aus denen Ella Hochleitner in ruhigen und leisen Bildern auf unspektakuläre und unspekulative Art die Geschehnisse so beleuchtet, dass sie für die Zuschauer eine lebendige Plastizität erhalten, die durch Mark und Bein geht. Und zu Herzen. In ihren heutigen Gedanken geht es unter anderem um Verdrängung, Aufarbeitung und Aussöhnung, um familiäre Vertrautheiten und Vorsichtigkeiten - und um das Hinschauen und das Artikulieren als wesentlichste Voraussetzung für die Heilung transgenerationaler Traumata.

Ella Hochleitner wurde 1969 in Salzburg geboren. Sie studierte zunächst Fotografie am Istituto Europeo di Design in Rom und absolvierte im Anschluss daran ihr Filmstudium an der Fachhochschule in Dortmund. Fünf ihrer bisherigen Werke wurden bei der Diagonale gezeigt und eines bei der Viennale ("Die Stadt und die Erinnerung" 2001). Im Laufe ihrer Karriere gewann sie zahlreiche Stipendien u.a. in Berlin, Buenos Aires, Virginia/USA und Rom. In Österreich wurde ihr Schaffen bis dato kaum beachtet. Aktuell lebt sie mit ihrer Familie wieder in Salzburg.

Service

Ella Hochleitners jüngster Dokumentarfilm "TROG - Eine österreichische Familiengeschichte" läuft ab 30. August 2024 in ausgewählten Kinos in ganz Österreich.

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