Eine Hand zeigt auf im Klassenzimmer

APA/HANS PUNZ

Punkt eins

Bildung: Wege aus einem Zwei-Klassen-System

Warum die Schule soziale Herkunft nicht - und fallweise doch - kompensieren kann. Gäste: Clara John, Mathematiklehrerin an einer Mittelschule in Wien und Lerntherapeutin & Martin Schenk, Psychologe, Sozialexperte der Diakonie und Mitbegründer des Netzwerks "Die Armutskonferenz". Moderation: Johann Kneihs. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Heute, am 10. September, veröffentlicht die OECD ihren jährlichen Bildungsüberblick "Education at a Glance". Dieser Bericht vergleicht Kennzahlen der nationalen Bildungssysteme der Mitgliedsländer. Daten vergangener Jahre, auch aus anderen Studien, haben gezeigt, dass Österreich mit relativ hohen Ausgaben in vielen Bereichen nur durchschnittliche Ergebnisse erreicht. Insbesondere gelingt es dem österreichischen Bildungssystem vergleichsweise schlecht, Chancengleichheit zwischen Kindern herzustellen.

"Die soziale Herkunft entscheidet überaus stark den weiteren Lebensweg", resümiert der Psychologe, Bildungs- und Armutsforscher Martin Schenk. "Das österreichische Schulsystem delegiert sehr viele Bildungsaufgaben an die Eltern. Daher hängt viel davon ab, ob die Eltern unterstützen können oder nicht", schreibt Schenk in der Fachzeitschrift der Heilpädagogischen Gesellschaft.

Ein zweiter Grund: Je früher Selektion stattfinde - in Österreich am Ende der vierten Klasse - desto stärker entscheide nicht Fähigkeit bzw. Leistung, sondern der soziale Hintergrund. Dazu komme die soziale Zusammensetzung in einer Schule: Ein Standort in ärmeren Vierteln wirke sich ungünstig auf die Bildungschancen der Kinder aus.

Bestimmt damit die "Geburtslotterie" den Bildungserfolg? Und wie kann Schule gegensteuern - damit Potenziale nicht verlorengehen, zum Nachteil für die Einzelnen und die Gesellschaft?

Die SOS-Signale waren in den letzten Jahren unüberhörbar: Lehrer:innen berichten von kaum bewältigbaren Aufgaben und Burnout-Gefahr angesichts von Personalknappheit, mangelnden sozialen Kompetenzen und fehlenden Sprachkenntnissen vieler Kinder und Jugendlichen. Ein Weg zur Abhilfe wäre ausreichend Sozialarbeit, psychologische und Gesundheitsversorgung in den Schulen - doch ein flächendeckendes Angebot ist bisher nicht in Sicht.

Clara John unterrichtet Mathematik an der Offenen Mittelschule Pfeilgasse in Wien und ist Lerntherapeutin für Rechenschwäche (Dyskalkulie). Sie ist als Quereinsteigerin in den Schuldienst gekommen, über den gemeinnützigen Verein "Teach for Austria", der sich für Bildungsgerechtigkeit einsetzt. "Ich möchte mit meiner Arbeit einen Unterschied im Leben von jungen Menschen machen", sagt sie.

(Wie) Kann es unter den gegenwärtigen Umständen gelingen, Kinder zu fördern und bei ihren Bedürfnissen abzuholen? Lassen sich ungünstige Rahmenbedingungen durch Engagement wettmachen - und welche Rolle spielt dabei die Haltung gegenüber den Schüler:innen? Was braucht es in der Ausbildung der Lehrpersonen und für ihre Vorbereitung auf die Situation in Schulen mit besonderen Herausforderungen? Wie lassen sich diese Schulen effektiver unterstützen?

Darüber spricht Johann Kneihs mit Clara John und Martin Schenk - und mit Ihnen: Die Redaktion freut sich über Ihre Beiträge zum Gespräch, telefonisch während der Sendung unter 0800 22 69 79, kostenfrei aus ganz Österreich, oder per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Links:
Datenbank Bildung der Armutskonferenz
Teach for Austria
Oma/Opa-Projekt: Lernhilfe von Senior:innen für bildungsbenachteiligte Kinder und Jugendliche in Wien, Krems und Amstetten
Lesepat:innen an Wiener Schulen
Sindbad - Mentoring für Jugendliche am Übergang von der Pflichtschule zu weiterführender Ausbildung an acht Standorten in Österreich

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