Gabelungen, Gleisgabelungen

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Punkt eins

Wann ist eine Umfrage seriös?

Analyse eines (nicht nur politischen) Instruments im Superwahljahr. Gäste: Dr.in Eva Zeglovits, Politikwissenschafterin, Institut für empirische Sozialforschung (IFES) & Univ.-Prof. Dr. Laurenz Ennser-Jedenastik, Professor für Österreichische Politik im europäischen Kontext, Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Wer macht das Rennen? Kopf an Kopf, im Höhenflug, die Aufholjagd, der Absturz. Seit Wochen dominieren Umfragen die heimische Berichterstattung, meist kurzgefasst als sportliche Schlagzeile und das nicht nur zur Nationalratswahl am Sonntag, sondern auch zur Präsidentschaftswahl in den USA. Am Montag sah eine neue Umfrage Donald Trump in den Swing States vorne, am Mittwoch enthüllt eine andere, Kamala Harris ziehe an ihm vorbei.

Ob Sonntagsfrage, Polit-Ranking, Trendbarometer oder Wahlbefragung: egal wo gewählt wird - und ob überhaupt - Umfragen sind ein fixer Bestandteil des politischen und medialen Alltags, beliebt wie umstritten und heiß diskutiert. Wie verlässlich sind die Ergebnisse, wie glaubwürdig und transparent? Beeinflussen sie die Wählerinnen und Wähler und verzerren sie deren Entscheidungen? Oder sind sie als Ausdruck dessen, was das Volk denkt, ein demokratiepolitisch wichtiges Korrektiv für die Politik? Ist die Umfrage schuld, wenn das Ergebnis anders ausfällt, haben Medienschaffende im Angesicht der Schlagzeile auf das Kleingedruckte vergessen oder ist die Ursache eine andere?

Umfragen begegnen uns heute überall und zu allen denkbaren Themen. Sie werden von Medien, Parteien, Konzernen und Lobbygruppen ebenso in Auftrag gegeben wie von Onlineportalen; im Internet wird kostenfreie Software angeboten und Meinungsforschung als Geschäftsmodell gepriesen. Dabei wird leicht übersehen, dass Umfrage nicht gleich Umfrage ist, nicht jedes "Institut" auch wissenschaftlich arbeitet und der Begriff "repräsentativ" als Qualitätsmerkmal zwar beliebt aber von Fachleuten als weitgehend bedeutungslos bis irreführend vermieden wird.

Die Umfrage ist eine der zentralen Methoden der empirischen Sozialforschung, ohne die sich gesellschaftliche Entwicklungen, Einstellungen, Ansichten und Probleme der Bevölkerung nur schwer erheben ließen; wenn man zum Beispiel wissen will, wie viele Menschen krank arbeiten gehen oder wie Autofahrende es mit der Handynutzung am Steuer halten. Gleiches gilt für wissenschaftliche Umfragen nach Wahlmotiven und die derzeit viel diskutierte, möglichst unverzerrte Politik-Umfrage im öffentlichen Raum - eine methodisch höchst komplexe Angelegenheit, sofern sie seriös durchgeführt wurde. Doch wann ist das der Fall?

Die wissenschaftlichen Methoden der empirischen Sozialforschung sind das Spezialgebiet von Eva Zeglovits, Politikwissenschaftlerin und Meinungsforscherin vom Institut für empirische Sozialforschung (IFES) in Wien. Wie groß muss eine Stichprobe sein; was sagen einzelne Prozentpunkte Unterschied wirklich aus und wie begegnet man Unsicherheiten und Fehlerquellen? Eva Zeglovits erklärt, wie Umfragen zustande kommen, wie man als Laie ihre Qualität einschätzen kann und wie sich Wissenschaft und schnelle Unterhaltung unterscheiden. Und sie betont, dass es nicht nur darum geht, wie Umfragen gemacht werden, sondern auch, wie darüber berichtet wird. Die schlagezeilenträchtige Zuspitzung auf ein "Kopf-an-Kopf-Rennen" - bei der Wahl aus neun Parteien (österreichweit) - hat einen eigenen Fachbegriff: Horse-Race-Journalismu (Pferderennen-Journalismus).

Umfragen bewahren uns nicht vor Überraschungen, meint Laurenz Ennser-Jedenastik, Professor für Österreichische Politik im europäischen Kontext am Institut für Staatswissenschaft der Universität Wien. Er hat die Umfrageergebnisse der letzten sieben Nationalratswahlen von 1999 bis 2019 analysiert und stellt generell fest: "politische Umfragen sind besser als ihr Ruf" - wie wohl einige Fehlprognosen und mutmaßliche Kriminalfälle die Branche schwer erschüttert haben. Laurenz Ennser-Jedenastik arbeitet in seinen Forschungen selbst regelmäßig mit Umfragen, aktuell in seinem großen Forschungsprojekt DEPART über die Laufbahnen von rund 10.000 europäischen Minister:innen.

Eva Zeglovits und Laurenz Ennser-Jedenastik analysieren als Gäste bei Barbara Zeithammer die komplexen Dimensionen von Umfragen: ihr Zustandekommen, ihre Qualität, ihre Möglichkeiten, Fehlerquellen und Grenzen und ob und wie Umfragen Wahlen beeinflussen.

Diskutieren Sie mit uns über Sinn und Unsinn, Wirkungen und Nebenwirkungen, stellen Sie Ihre Fragen und berichten Sie uns von Ihren Gewohnheiten:

Mit welchem Ziel lesen und wie interpretieren Sie Umfragen? Ist Ihnen Seriosität wichtig und wie prüfen Sie die Qualität einer Umfrage? Beeinflussen Umfragen Sie in Ihren Entscheidungen? Und sehen Sie in Umfragen ein wichtiges Element einer lebendigen Demokratie - beispielsweise als Gradmesser für die Qualität der Politik - oder eher eine Gefährdung der demokratiepolitischen Basis?

Sie erreichen uns telefonisch unter 0800 22 69 79 live während der Sendung und kostenfrei aus ganz Österreich und schriftlich per E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

AUTNES - Austrian National Election Study befasst sich mit einer umfassenden sozialwissenschaftlichen Analyse der österreichischen Nationalratswahlen.
Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien

Hörtipp:
"Wenn Medien Wahlkampf machen" in #doublecheck vom 05.09.2024 nachhören

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer

Playlist

Urheber/Urheberin: Mick Jagger & Keith Richards
Titel:
You Can't Always Get What You Want
Ausführender/Ausführende: The Rolling Stones
Länge: 04:50 min
Label: Sony

Urheber/Urheberin: Lodewijk Mortelmans
Titel:
Mood Picture
Ausführender/Ausführende: Peter Van Hove
Länge: 03:24 min
Label: Sony

Urheber/Urheberin: John Zorn
Titel:
Scout
Ausführender/Ausführende: John Zorn
Länge: 04:14 min
Label: Blue Note

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