Lippen

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Radiokolleg

In aller Munde (2)

Lippen und Zähne, zur Psychodynamik der Mundhöhle

Der Mundraum ist ein einzigartiges Organ-Ensemble des menschlichen Körpers. Seine Höhlung öffnet sich über Lippen und Mund in die Außenwelt und über den Schlund in die Innenwelt des Körpers. Dieser bi-direktionale Transitraum ist für unser Weltverhältnis basal, sagt der Kulturwissenschaftler Hartmut Böhme.

Er unterscheidet drei Dimensionen des Mundraums: die metabolische, die kommunikative sowie die triebdynamische Achse. Die zweite Geburt des Menschen, so lautet seine These, erfolgt im und durch den Mundraum. Die erste Geburt wird, wie jeder weiß, durch die Trennung vom Mutterleib realisiert. Von der zweiten Geburt ist die Rede, wenn das Kind kommunikative Kompetenzen erwirbt und sich aus der Symbiose mit der Mutter zu lösen beginnt. Dann, wenn motorische und manuelle Fähigkeiten zunehmen, wenn sich Sinne und Kognitionsleistungen erweitern. Vieles davon, etwa ob wir außen und innen unterscheiden können, hat seine archaischen und basalen Wurzeln im Mundraum. Welche Funktion nun die Lippen und Zähne bei indigenen Völkern haben, ist einerseits universal und entstammt demselben Ursprung, kommt aber andererseits aus einem ganz anderen, uns oft fremden Kulturverständnis. Vor allem dann, wenn Lippen, Zähne und der gesamte Mundraum ganz bewusst und rituell deformiert werden. Der Zahnarzt Roland Garve, seit über 40 Jahren als Ethnologe in entlegensten Gegenden der Welt unterwegs, hat die Bedeutung des Mundraums indigener Stämme erforscht, verschiedene Tellerlippen, Tellerpflock und Färbungen des Zahnfleisches kategorisiert.

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  • Katrin Mackowski