Straßenmusikanten

Ferrara Buskers Festival

Radiokolleg

Straßenmusik. Zwischen Kunst und Lärm (2)

Spielleute, Bardensänger, linke Blasmusikkapellen

Die Ursprünge der Straßenmusik lassen sich bis in die Antike zurückverfolgen. Wir wissen von den Wandersängern aus der vorhomerischen Zeit und aus dem alten Iran. Sie waren Geschichtenerzähler und Nachrichtenüberbringer und hatten einen hohen sozialen Status, einige von ihnen waren als Dichter-Sänger an Königshäusern tätig. Die namenlosen Zunftgesellen unter ihnen zogen auf den Straßen umher und lebten von milden Gaben und gelegentlichen Engagements. Im Mittelalter waren Straßenmusiker oft Musikanten, die von Stadt zu Stadt zogen und ihre Musik und Kunst auf Märkten darboten. Um 1500 entstand auf Neapels Straßen eine neue Liedgattung, die Villanella. Diese neapolitanischen Canzonen wurden zum Exportschlager in ganz Europa und erreichten auch den Königshof.
Die Noten wurden heimlich abgeschrieben und in Venedig gedruckt. Im 17. Jahrhundert bevölkerten die Bänkelsänger die Marktplätze. In ihren Liedern ging es um Schlachten, Morde und Katastrophen - die Moritaten. Zwei Jahrhunderte lang waren die Bänkelsänger erfolgreich, doch als neuen Medien wie Radio und Fernsehen aufkamen, brauchte sie niemand mehr. Bertolt Brecht schaffe es die Moritaten von allem Ulk zu befreien und in Literatur zu verwandeln.

Freiluftmusik gehörte im 18. und 19. Jahrhundert wesentlich zum Sound einer Stadt. In Wien waren es vor allem die Werkelmänner, die Drehorgelspieler, die Lieder wie Walzer, Landler und Märsche auf die Straße brachten, aber auch Wandersänger, Harfenisten und Volkssänger trugen zum Klangbild der Großstadt bei. Auch nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Drehorgel in Österreich der beliebteste Musiklieferant für die einfachen Leute. Im Nationalsozialismus war Straßenmusik verboten.

Die 68er-Bewegung in Deutschland verlieh der Straßenmusik eine neue Schubkraft, als Möglichkeit der öffentlichen und unkontrollierten Meinungsäußerung: Rock gegen Rechts, vor Kernkraftwerken, gegen die Autoritäten, auf linken Veranstaltungen. Für Österreich ist eine linke Straßenmusikkultur in dem Ausmaß nicht dokumentiert.

Service

Radiokolleg-Podcast

Chaker, Sarah (2023): "Busking in the neoliberal city: A critical inventory of a selection of street art ordinances in Austria", in: International Journal of Community Music, Volume 16, Issue Buskers: Community, Culture, Commodity, UK: Intellect, p. 155-175.
Chaker, Sarah (2021): "Straßenmusik im öffentlichen Raum und ihre behördliche Regulierung in Österreich. Plädoyer für eine polyphone Klanglandschaft." In: Kulturpolitische Mitteilungen, Heft Nr. 175, IV/2021: Kulturwandel zur Nachhaltigkeit, S. 30-32.
Nowokovski, Mark (2016): Straßenmusik in Berlin. Zwischen Lebenskunst und Lebenskampf. Eine musikethnologische Feldstudie. Transcript Verlag, Studien zur Popularmusik.
Stroh, Wolfgang Martin (1984): Leben Ja. Zur Psychologie musikalischer Tätigkeit Musik in Kellern, auf Plätzen und vor Natodraht, Bertold Marohl Musikverlag

Buskers Festival Ferrara: http://www.ferrarabuskers.com

Sendereihe

Gestaltung

  • Verena Gruber

Playlist

Urheber/Urheberin: Ramm Tamm Tilda
Titel: Lied der Spinnen
Ausführender/Ausführende: Ramm Tamm Tilda
Label: QM-EU3-20-01518 (ISCD)

Urheber/Urheberin: Al Quantarah
Titel: Bendicamus Domino
Ausführender/Ausführende: Al Quantara
Label: Promo Music

Urheber/Urheberin: Atanasius Kircher
Titel: Tarantella neapolitana
Ausführender/Ausführende: L'Arpeggiata
Label: Alpha DDD

Urheber/Urheberin: Gian Leonardo dell'Arpa
Titel: Villanella ch'all'aquca vai
Ausführender/Ausführende: Oni Wytars
Label: Harmonia Mundi

Urheber/Urheberin: Kurt Weil/Bertolt Brecht
Titel: Moritat von Macki Messer
Ausführender/Ausführende: Ute Lemper
Label: Decca

Urheber/Urheberin: Carl Michael Ziehrer
Titel: Wiener Bürger
Ausführender/Ausführende: Oliver Maar
Label: Mayer am Pfarrplatz/Gastronomiebetrieb

Urheber/Urheberin: Heiner Goebbels
Titel: Rote Sonne
Ausführender/Ausführende: Linksradikales Blasorchester
Label: Trikont

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