Isabel Frey

FRANZI KREIS

Gedanken für den Tag

Rosch ha-Schana

Isabel Frey, jiddische Sängerin, Ethnomusikologin und Gründerin der jüdisch-arabischen Friedensinitiative Standing Together Vienna, über die jüdischen Herbstfeste und Friedensarbeit

Vergangene Woche fand das jüdische Neujahrsfest Rosch ha-Schana statt, das den Beginn der Hohen Feiertage darstellt. Zu Rosch ha-Schana liest man den Abschnitt der Tora über die Bindung Isaaks, bei der Gott Abraham befahl, seinen Sohn zu opfern. Im letzten Moment hält ein Engel Abraham davon ab, und stattdessen wird ein Widder geopfert. Deshalb erklingt zu Rosch ha-Schana das Schofar, das Widderhorn, als Erinnerung an diese Geschichte.

Die Geschichte von Abraham ist in den drei abrahamitischen Religionen - Judentum, Christentum und Islam - zentral. Diese Religionsgemeinschaften haben im Heiligen Land seit Jahrhunderten nebeneinander gelebt. Der Nahostkonflikt wird oft als uralter religiöser Konflikt dargestellt, doch diese Koexistenz geriet erst im 20. Jahrhundert durch den Ethno-Nationalismus ins Wanken. Gerade über die vielen Gemeinsamkeiten in der Religion ergeben sich viele mögliche Brücken.

Die Geschichte Abrahams könnte genau das. Sie wird oft als Beweis für Abrahams Gottesfurcht gesehen, da er bereit war, seinen Sohn zu opfern. Doch sie erzählt auch vom Verhindern von Blutvergießen. Das Erklingen des Shofar erinnert uns daran, dass ein Kindesopfer verhindert wurde. Und doch wird weiterhin Blut vergossen und es werden im Nahen Osten weiterhin auf allen Seiten Kinder für einen sinnlosen Krieg geopfert.

Auf Jiddisch wünscht man sich zu Rosch ha-Schana "a zis gebentsht yor" - ein süßes und gesegnetes Jahr. Aber dieses Jahr würde ich auch "sholemdik" - friedlich - hinzufügen. Denn das Jahr kann weder süß noch gesegnet sein, solange kein Frieden herrscht.

Service

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Sendereihe

Gestaltung

Playlist

Komponist/Komponistin: Michael Winograd
Titel: International Hora
Album: Kosher Style
Ausführende: Michael Winograd
Länge: 03:30 min
Label: Bandcamp/Michael Winograd

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