Das Schofar und die Rolle der Musik

11. Oktober 2024, 06:57

Am Ende von Jom Kippur erklingt das Schofar, ein Blasinstrument aus einem Widderhorn. Es ist ein voller, archaisch anmutender Klang, der sowohl als Ruf als auch als Erinnerung dient.

In biblischen Zeiten wurde das Schofar an Jom Kippur nur im Erlassjahr geblasen, das alle 50 Jahre stattfand. In diesem Jahr sollten alle Schulden erlassen und alle Sklaven befreit werden. Der Klang des Schofar, der nun jährlich erklingt, erinnert daran, dass die Dinge anders sein könnten. Es zeigt die Kraft der Musik, Erinnerungen zu tragen und gleichzeitig eine andere Welt vorzustellen.

Diese Fähigkeit der Musik macht sie so kraftvoll in der Friedensarbeit. Gleichzeitig bin ich mir als Sängerin und Ethnomusikologin der vielen Plattitüden bewusst, die oft in diesem Zusammenhang gebracht werden, wie "Musik verbindet alle" oder "Musik ist eine universelle Sprache". Musik ist eben keine universelle Sprache, sondern eine situierte Praxis, die immer in einem bestimmten kulturellen Kontext steht. Doch gerade darin liegt ihre Kraft: Musik kann kulturelle Besonderheiten hörbar machen und sie mit anderen Klängen verbinden, ohne ihre Einzigartigkeit zu verlieren. Der karibische Philosoph Eduard Glissant nennt dies Opazität, im Gegensatz zur westlichen Idee universeller Transparenz. Wenn verschiedene Zugehörigkeiten zusammenklingen, wird die Möglichkeit einer friedlicheren Zukunft spürbar.

Bei unseren Mahnwachen für den Frieden mit Standing Together Vienna nutzen wir die Kraft der Musik, indem viele Musiker:innen jüdischer, arabischer und levantinischer Herkunft auftreten. Damit hoffen wir, das Miteinander, das wir uns erträumen, zumindest für einen Moment zum Klingen zu bringen.

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