Mafalda Rakoš
Gedanken für den Tag
Wort und Bedeutung
von Raphaela Edelbauer, Schriftstellerin
15. Oktober 2024, 06:57
Warum erzeugen wir scheinbar Doppelung von Sprache und Bedeutung - Geist und Welt, wenn wir etwas erkennen? Warum sind Laute und Buchstaben zwar verzichtbar - quasi wegkürzbar - und dennoch zeigt sich die wirkliche Sprache qua dieser?
Warum gibt es viele einzelne Sprachen und nicht etwa nur eine - und wieso erweist sich die Sapir-Whorff-Hypothese, der zufolge die Sprache das Denken beeinflusst, als fruchtbar, wenn doch alle Menschen die Grundlagen der Semantik teilen? Wie ist es möglich, dass ich die Flugbahn eines Objektes auf dem Papier ausrechnen kann, und die Natur verhält sich, wie in diesen Zeichen vorweggenommen? Warum schaffen wir es, über Sprache zu schreiben, wenn wir doch gar nicht aus ihr herauskommen - warum ist sie das Einzige, was diese vollkommene Selbstreflexion erlaubt?
Der konventionelle Sprachbegriff ist unbrauchbar, wenn es darum geht, diese Fragen zu beantworten. Was ich sagen will, ist das: Wenn wir glauben, Sprache mit der Untersuchung syntaktischer Strukturen näher zu kommen, ohne dabei zu verstehen, dass Syntax nur da ist, um auf etwas anderes hin transparent zu werden, sind wir verloren. Das Auge kann das Sehen nicht erklären, weil es das Sehen erst ermöglicht, indem es nicht da, durchsichtig, wird.
Wenn wir denken, dass ein semiotisches Dreieck, das die Beziehung zwischen dem Symbol, dem dadurch hervorgerufenen Begriff und dem damit gemeinten realen Ding darstellt, Zeichen charakterisieren kann - also das, was in der Lage ist, die Quantenphysik zu beschreiben - sind wir bemitleidenswert. Wenn wir der Überzeugung sind, ein Verständnis dessen, was Sprache ist unter Ausschluss aller nichtmenschlichen Lebewesen gewinnen zu können, sind wir an Naivität kaum zu übertreffen. Wenn wir glauben, es gäbe eine Welt ohne Sprache, können wir gleich wieder einpacken.
Als Autorin brauche ich neue Methoden. Als Autorin brauche ich die Pataphysik. Von dieser werde ich dann morgen erzählen.
Service
Raphaela Edelbauer, "Entdecker: Eine Poetik", Klever Verlag 2017
Raphaela Edelbauer, "Das flüssige Land", Klett-Cotta 2019
Raphaela Edelbauer, "Dave", Klett-Cotta 2021
Raphaela Edelbauer, "Die Inkommensurablen", Klett-Cotta 2023
Raphaela Edelbauer, "Routinen des Vergessens". Klett-Cotta 2024
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach 1685 - 1750
Gesamttitel: GOLDBERG - VARIATIONEN BWV 988 "Aria mit 30 Veränderungen" für Klavier aus "Klavierübung 4.Teil"
* 10. Variatio 9 Canone alla Terza a 1 Clav. (00:01:26)
Solist/Solistin: Andras Schiff
Länge: 01:00 min
Label: ECM New Series 1825 4721852