Mafalda Rakoš
Gedanken für den Tag
Pataphysik
von Raphaela Edelbauer, Schriftstellerin
16. Oktober 2024, 06:57
Pataphysik wurde vom französischen Schriftsteller Alfred Jarry am Ende des 19. Jahrhunderts erfunden, und ist auf den ersten Blick eine Form der Wissenschaftsparodie.
Er beschrieb die Pataphysik als die Wissenschaft der imaginären Lösungen. Man sagt auch: "Die Pataphysik steht zur Metaphysik so wie die Metaphysik zur Physik." Es gibt pataphysische Gesellschaften in aller Herren Länder - und was sie eint, ist der Versuch, absurdistisch anmutende Forschungen zu betreiben. Das Londoner Institut unterhält etwa ein Komitee für Behaarung und Pogonotrophie, also die Lehre vom Bartwuchs, das Pariser College unterhält eine Abteilung für Erotik und Pornosophie sowie eine für Krokodilologie und wir in Wien - wir haben gar ein eigenes pataphysisches Orchester.
Dennoch geht es bei der Pataphysik nicht einfach nur um einen Gag, sondern ich halte sie für ein veritables Forschungswerkzeug. Erstens weil sie es erlaubt, frei von institutionellen Zwängen Forschungen nachzugehen, die widersinnig oder gar nutzlos erscheinen - und auch zweitens, weil sich gerade bei solchen Methoden ergeben, die wirklich originär sind. Allzu oft versteckt sich hinter der ernsthaften Institutionalisierung der Wissenschaft, hinter all den Gremien, Lehrstühlen und Akademien, die Einsicht, dass es sich auch bei der Mathematik um eine Wissenschaft der imaginären Objekte handelt, und dass sich die Physik in der Modellbildung Methoden der Fiktion bedient.
Darum, zu zeigen, dass auch der Grund, auf dem wir normalerweise wandeln, wenn wir uns vermeintlich "harter" Naturwissenschaft bedienen, geht es in der Pataphysik - und wenn mir jemand erzählen würde, dass es ein besseres Rahmensystem geben sollte, um die Frage nach der Sprache als Ursprung des Universums zu stellen, würde ich ihm einfach nicht glauben.
Service
Raphaela Edelbauer, "Entdecker: Eine Poetik", Klever Verlag 2017
Raphaela Edelbauer, "Das flüssige Land", Klett-Cotta 2019
Raphaela Edelbauer, "Dave", Klett-Cotta 2021
Raphaela Edelbauer, "Die Inkommensurablen", Klett-Cotta 2023
Raphaela Edelbauer, "Routinen des Vergessens". Klett-Cotta 2024
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Johann Sebastian Bach 1685 - 1750
Gesamttitel: GOLDBERG - VARIATIONEN BWV 988 "Aria mit 30 Veränderungen" für Klavier aus "Klavierübung 4.Teil"
* 11. Variatio 10 Fughetta a 1 Clav. (00:01:28)
Solist/Solistin: Andras Schiff
Länge: 01:28 min
Label: ECM New Series 1825 4721852