Sonja Danner über Erinnerungen

22. Oktober 2024, 06:57

Aus Untersuchungen wissen wir, dass die frühesten Erinnerungen an die Kindheit zirka im Alter zwischen drei und vier Jahren einsetzen. Wir entwickeln da in etwa Konzepte von Raum und Zeit und lernen damit, unseren Alltag einzuordnen. Wir beginnen auch unser eigenes Wissen von dem anderer zu unterscheiden.

Manche Menschen erinnern sich gar an Episoden, die sich zwischen ihrem zweiten und dritten Lebensjahr abgespielt haben. Das ist in Ausnahmefällen auch möglich. Manchmal spielt uns unser Gedächtnis einen Streich. Durch Erzählungen, die vielleicht noch mit Fotos aufgepeppt werden, glauben wir uns an jene vergangenen Zeiten zu erinnern, erinnern und jedoch im Wesentlichen an die Erzählungen aus zweiter Hand.

Ich erinnere mich an ein Ereignis, da war ich zirka vier Jahre alt. Unser Hund Hasso war schwer krank, hatte Schmerzen und sollte eingeschläfert werden. Niemand wollte die Fahrt zum Tierarzt mit ihm antreten. Ich sehe heute noch den dunkelblauen VW-Käfer vor mir, der Beifahrersitz war herausgenommen. Er stand in der geschotterten Einfahrt vor dem Haus. Mein Großvater und ich machten uns schließlich auf den Weg. Ich saß auf dem Rücksitz, der Hund lag vorne und sah mich an. Ich habe ihn gestreichelt, was leicht möglich war, denn auf den Rücksitzen gab es weder Kindersitze noch Anschnallgurte.

Ich habe keinerlei Erinnerung mehr daran, was beim Tierarzt geschah. War ich dabei, als Hasso eingeschläfert wurde? Möglich. Als ich vor Kurzem mit meinem Vater darüber gesprochen habe - das erste Mal übrigens nach mehr als 50 Jahren - bestätigte er meine Erinnerung und fügte seine hinzu: "Hasso wollte partout nicht ins Auto einsteigen, obwohl er sonst im Auto saß, kaum dass die Tür offen war." In Zukunft werde ich mich auch daran erinnern - als Erzählung meines Vaters.

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