Stress durch Überoptimierung

13. November 2024, 06:57

Die Widerstandskraft der Psyche zu verbessern, zählt zu den zentralen Zielen in der Behandlung von Menschen bei seelischen Krisen. Eigentlich stammt der Begriff Resilienz aus der Physik, beschreibt die Fähigkeit eines Werkstoffes, einer Belastung von außen standzuhalten. Die Wurzel liegt im lateinischen Verb "resiliere", es bedeutet zurückzufedern. In der Psychologie wurden sogenannte Säulen der seelischen Resilienz definiert: Optimismus, der Blick auf Lösungen, in die Zukunft gerichtet, Akzeptanz der Umstände, Verantwortung zu übernehmen, offen für Bindungen zu sein, diese stabil gestalten.

Resilienz rückte zur Kernkompetenz unseres Lebensstils auf. Darin steckt ein wenig der Wunsch nach Unverwundbarkeit, alles unbeschadet zu überleben. Impuls dafür ist der Gedanke, dass die Psyche mit dem richtigen Training, ein paar Techniken, mit Krisen und Schicksalsschlägen perfekt zurechtkommt. Eine Seele wie Teflon, von der alles abprallt. Wir müssen derzeit tatsächlich viel aushalten: Innovations-Druck durch künstliche Intelligenz, die noch immer spürbaren Folgen der Pandemie und die schon sehr greifbaren der Klimakrise.

Doch es gibt sie auch, die "dunkle Seite" der Resilienz: Der Anspruch mit allem fertig werden zu können erodiert auch den Protest gegen das Unzumutbare. Die ultimative Widerstandsfähigkeit kann Widerstand gegen toxische Arbeitsbedingungen oder auch gegen politisches Versagen untergraben "Wir haben es gründlich satt, dass unsere Widerstandsfähigkeit gefeiert wird. Solange wir alles ertragen, wird es nicht besser, sondern schlimmer", sagten mir sinngemäß gleich mehrere Menschen in der libanesischen Hauptstadt Beirut, als ich dort über die legendäre Resilienz dieser Stadt recherchierte. Sie hatten dieses Klischee nicht nur satt, sie hatten auch Recht.

Service

Buch, Petra Ramsauer, "Nahost verstehen. Wie eine Region die Welt in Atem hält", edition a

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