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Punkt eins
Autoritäres Klima in Baku
Repressiv und fossil: Aserbaidschan, das Gastgeberland der Weltklimakonferenz. Gast: Walter Kaufmann, Referatsleitung Ost- und Südosteuropa, Heinrich-Böll-Stiftung. Moderation: Xaver Forthuber. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at
15. November 2024, 13:00
Die seit Montag laufende 29. Weltklimakonferenz startete gleich mit einer Lobrede auf fossile Energien. Mit Aserbaidschan ist zum dritten Mal in Folge ein Ölstaat das Gastgeberland der "Conference of the Parties" (COP) zur UN-Klimarahmenkonvention, und Präsident Ilham Aliyev nutzte die Gelegenheit, um fossile Energien als "Geschenk Gottes" zu bezeichnen.
Mit Aktivitäten im Bereich des Klimaschutzes fällt das Land tatsächlich nicht auf. Das liegt auch daran, dass zivilgesellschaftliches Engagement, laut UN eine wichtige Säule im Kampf gegen die Klimakrise, in Aserbaidschan praktisch zum Erliegen gekommen ist. Nur noch staatlich genehmigte NGOs haben Aussicht auf Förderungen und unabhängige Wissenschafter:innen sind massivem Druck ausgesetzt, berichtet Walter Kaufmann, der für die deutsche Heinrich-Böll-Stiftung über Jahre hinweg immer wieder in Baku tätig war.
Aktivist:innen und kritische Journalist:innen werden von der Regierung verfolgt, zahlreiche Menschen sind derzeit aus politischen Gründen in Haft. Dabei würden systematisch Straftatbestände wie "Hooliganismus" oder Drogendelikte vorgeschoben, um Menschenrechts- aber auch Klimaaktivist:innen zum Schweigen zu bringen, sagt Walter Kaufmann.
Kontakte nach Armenien können sogar eine Anklage wegen Landesverrats einbringen; der Politologie-Dozent Igbal Abilov etwa steht deswegen seit Juli unter Hausarrest. Nachdem Aserbaidschan vor einem Jahr in einer großangelegten Militäroffensive das mehrheitlich von Armeniern bewohnte Gebiet Bergkarabach erobert hatte, stehen die Friedensverhandlungen nun laut beiden Seiten vor dem Abschluss. Aber die Wunden sitzen tief, der Konflikt wird nicht zuletzt von Troll-Armeen im Internet mit großer Härte weiter ausgetragen, und an der Friedensbereitschaft des Regimes in Baku darf gezweifelt werden.
Daran schließen sich auch größere Fragen an: Wie soll die Weltgemeinschaft mit autoritär regierten Staaten umgehen? Davon gibt es immer mehr, der "Trumpismus" des pragmatischen Deals könnte mehr denn je zur Norm werden, aber wo bleiben die Grundwerte und Menschenrechte? Hat es etwas gebracht, Aserbaidschan ins Boot zu holen - für das Klima, für die Demokratie, für die Freiheit im Land und in der Welt?
Walter Kaufmann ist zu Gast bei Xaver Forthuber. Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
Sendereihe
Gestaltung
- Xaver Forthuber