Trauer und Grenzen der Widerstandsfähigkeit

15. November 2024, 06:57

Eine optimistische Grundhaltung gilt als besonders aussagekräftiger Indikator dafür, wie rasch und gut sich jemand von Widrigkeiten erholen kann. Eine zentrale Rolle spielt auch, wie gut Emotionen reguliert werden können. Ebenso hilfreich ist es, irgendeine Form von Sinn im Leben zu verfolgen.

Soweit eine knappe Zusammenfassung von Schutzfaktoren, die Widerstandskraft stärken. Zusammenhänge, die gut erforscht sind, gleichzeitig nicht als Anleitung geeignet sind, in wenigen Tagen Widerstandskraft zu erlagen. Robustheit will reifen. Und es besteht Verwechslungsgefahr. Mit Optimismus ist nicht gemeint, verbissen jede Katastrophe sofort als Chance zu nutzen. Atemlos jeden schweren Gedanken wegzuatmen. Um Schläge zu verdauen, braucht es Phasen der Trauer. Momente der Nicht-Resilienz. Die Erlaubnis, eine Pause zu machen.

Resilienz verändert sich im Laufe eines Lebens, variiert auch bei unterschiedlichen Stressbelastungen. Und es kann passieren, dass selbst eine widerstandsfähige Natur von einer Häufung von Krisen schlicht überwältigt wird und daran zerbricht. Dass Stressfaktoren so intensiv einprallen, dass Schutzfaktoren kollabieren.

"Menschliches Vernichtungssyndrom", diagnostizierten Psychiater bei Kindern, die dem Syrien-Krieg ausgeliefert waren. Eine heftige Trauma-Reaktion, die alle Gefühlsregungen lähmt. Angesichts neuer, zusätzlicher Kriege und Gewalt im Nahen Osten hat sich die Zahl der Betroffenen massiv erhöht. Es drohen ganze Generationen heranzuwachsen, deren Resilienz keine Chance auf Erholung hatte. Es gibt Grenzen des Verkraftbaren, werden sie gnadenlos überschritten, hat dies auch politisch brisante Folgen. Ist die seelische Kraft Widrigkeiten auszuhalten versiegt, fehlt auch die Basis für die nachhaltige, resiliente Lösung von Konflikten.

Service

Buch, Petra Ramsauer, "Nahost verstehen. Wie eine Region die Welt in Atem hält", edition a

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