Jacqueline Godany
Gedanken für den Tag
Die Überlebenskunst
Petra Ramsauer, Journalistin und angehende Psychotherapeutin, über Resilienz
16. November 2024, 06:57
Sogar sehr schwierige Ereignisse, schmerzhafte Verluste oder Gewalterfahrungen führen nicht automatisch zu psychischen Problemen wie einem Posttraumatischen Belastungssyndrom.
"Es kommt darauf an, wie ein Mensch das Ereignis interpretiert", betont Trauma-Forscher George Bonnano. Es sind unsere Gedanken über ein Ereignis, die uns verwunden, nicht so sehr das Ereignis. Extreme Belastungen könnten sogar Impuls für seelisches Wachstum werden. Hier zeigt sich, dass Resilienz, ein Konzept der Werkstoffkunde nicht ganz exakt auf die Psychologie umgelegt werden kann. Auf die Seele übertragen bedeutet das Phänomen nicht nur Elastizität, sondern auch, dass Krisen den Menschen verändern. Auch stärken.
"Was uns nicht umbringt, macht uns stärker" - dieses Zitat von Friedrich Nietzsche wurde inflationär zur Durchhalteparole in Krisensituationen. Genau betrachtet liegt darin der Ansatz des Phänomens des Post-Traumatischen Wachstums. Dafür gibt es beeindruckende Beispiele, vor allem in Kriegs- und Krisengebieten. Jesidinnen, das sind Angehörige einer Minderheit im Irak, die zu Tausenden von Terroristen des sogenannten Islamischen Staates verschleppt und grausam misshandelt wurden. Manche Überlebende haben sich nicht nur von den Qualen erholt, sie wurden zu weltweit bekannten Vertreterinnen des Volkes.
Doch auch bei diesem Phänomen ist ein wenig Vorsicht ratsam. Das Postulat, dass jede noch so fürchterliche Krise eine Chance zur Selbstoptimierung werden muss, erzeugt Druck. Oft sehr viel Druck. Aber der Ansatz kann hilfreich sein. Besonders resilienten Menschen gelingt es, negative Gefühle ins Positive zu drehen. Etwa bei einem der häufigsten Stressfaktoren des sozusagen normalen Lebens: der Angst. Sie ist ein Schlüsselmoment der Widerstandsfähigkeit. Eigentlich ist sie eine normale Reaktion auf Gefahr und Unsicherheit. Sie ist nicht zwingend ein Krankheitssymptom, erst wenn sie chronisch wird. Ein kurzes Aufflackern der Stressreaktion kann im besten Fall zu einer langfristigen Stärkung werden, die Ent-Traumatisierung der Angst somit ein Ansatz für ein Stück mehr Resilienz sein.
Service
Buch, Petra Ramsauer, "Nahost verstehen. Wie eine Region die Welt in Atem hält", edition a
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Sendereihe
Gestaltung
Playlist
Komponist/Komponistin: Harry Gregson Williams geb.1961
Gesamttitel: SPY GAME / Original Filmmusik
Titel: Berlin
Orchester: London Session Orchestra
Leitung: Harry Gregson Williams
Ausführender/Ausführende: Greg Knowles
Länge: 01:00 min
Label: Decca/Universal Classics 0161902