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Gedanken für den Tag
Puccini und die Hoffnung
von Michael Krassnitzer, Publizist, Wissenschaftsjournalist und Experte für Populärkultur, zum 100. Todestag von Giacomo Puccini
30. November 2024, 06:57
Mit dem Thema Religion hat sich Giacomo Puccini nur in einem einzigen Werk auseinandergesetzt: in dem Einakter "Suor Angelica" (auf Deutsch: "Schwester Angelika").
Darin geht es um eine Nonne, die von ihrer Familie gezwungen wurde, ins Kloster zu gehen, nachdem sie ein uneheliches Kind zur Welt gebracht hatte. Als sie eines Tages erfährt, dass dieses Kind schon vor einiger Zeit gestorben ist, wird sie von Schuldgefühlen überwältigt. Sie sieht keinen anderen Ausweg und wählt den Suizid. Unmittelbar vor ihrem Tod überkommt sie eine Vision von ihrem verstorbenen Kind sowie der Gottesmutter, die ihr beide Vergebung schenken.
Puccini hat immer sehr mühsam um neue Opernstoffe gerungen, aber von "Suor Angelica" war er vom ersten Moment an begeistert. Keine Spur auch von den andauernden Änderungswünschen, mit denen er üblicherweise seine Librettisten zur Verzweiflung brachte. Vermutlich sprach ihn das Thema deshalb so an, weil er selbst einen sogenannten illegitimen Sohn mit seiner späteren Frau Elvira hatte. Dass er jahrelang unverheiratet mit ihr zusammenlebte, war Puccinis einziger nennenswerter Verstoß gegen gesellschaftliche Konventionen.
Auch wenn "Suor Angelica" nicht zu seinen meistgespielten Werken zählt, hat Puccini ein musikalisch mitreißendes Werk geschaffen, das über psychologische Tiefe verfügt und ein universelles Thema anspricht: die Sehnsucht nach Liebe, Vergebung und Erlösung. Vor allem erinnert die Oper daran, dass auch in den dunkelsten Stunden Hoffnung besteht.
Ich darf in diesem Zusammenhang Papst Franziskus zitieren: "Der Mensch kann nicht ohne Hoffnung leben." Dem ist nichts hinzuzufügen.
Service
Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Giacomo Puccini 1858 - 1924
Album: Berühmte Opern Intermezzi
Titel: Intermezzo aus der Oper "Suor Angelica / Schwester Angelica"
Orchester: Göteborger Symphonieorchester
Leitung: Neeme Järvi
Länge: 03:46 min
Label: DG 429494-2