Loch in der Wand

APA/DPA/PATRICK PLEUL

Punkt eins

Das Budgetloch und die großen Unbekannten

Österreich muss sparen - aber wo und wie und wie viel? Gäste: Hanno Lorenz, Ökonom, stv. Direktor Agenda Austria & Oliver Picek, PhD, Chefökonom am Momentum Institut. Moderation: Barbara Zeithammer. Anrufe 0800 22 69 79 | punkteins(at)orf.at

Ein prognostiziertes Budgetdefizit von 3,3 bis 4 Prozent; ein Konsolidierungsbedarf zwischen 15 und 23 Milliarden Euro. Österreich muss sparen - aber wo und wie und wieviel genau? Wo darf nicht gespart, wo muss investiert werden? Und kam das wirklich überraschend?

Fiskalrat-Chef Christoph Badelt warnte im April als Erster, dass die Neuverschuldung die 3 Prozent der Maastricht-Grenze überschreiten wird. Sparen sei nicht nötig, erklärte der Bundeskanzler, man werde ohne Sparpaket aus den Schulden "herauswachsen". Und die Regierung erhöhte u.a. den Klimabonus. Vier Tage nach der Nationalratswahl bestätigte das Finanzministerium schließlich, dass das Defizit im heurigen Budget auf 3,3 Prozent der Wirtschaftsleistung anwachsen werde. Die Meldung ging mit rotem Alarm Balken über die Agenturen. Und wirkt im Vergleich noch immer optimistisch.

Selbst in der 11. Woche nach der Wahl herrscht noch keineswegs Einigkeit über die Höhe des zu erwartenden Defizits - 3,3 Prozent (BMF), 3,7 Prozent (EU), 3,9 Prozent (Büro des Fiskalrats), 4,1 Prozent (detto, für 2025) - oder die Tiefe des Budgetlochs. Wie viele Milliarden muss Österreich einsparen? Je nach Berechnungsart zwischen 15 und 23 Milliarden Euro - ein beachtlicher Unterschied. Wo konkret ansetzen, kurzfristig, langfristig?

Forschungsinstitute, Expertinnen und Experten und Think Tanks haben ihre Ideen bereits vor Wochen präsentiert. Der Klimabonus steht ganz oben auf der Liste: aussetzen, kürzen, streichen. Dieselprivileg, Pendlerpauschale, Mineralölsteuer. Vermögenssteuer, Pensionsantrittsalter, Bildungskarenz, Finanzausgleich. Förderungen bei Unternehmen, Reformen im Gesundheitssystem, für Arbeit, Industrie und Standort, in Punkto Föderalismus, für mehr Transparenz. Bei Summen in der Größenordnung - ist man sich weitgehend einig - muss einnahmen- und ausgabenseitig gespart werden. "Wir haben leider nicht den einen Schalter, den legen wir jetzt um", fasste es Holger Bonin vom IHS zusammen, schließlich dürfe man "das zarte Pflänzchen der Konjunktur nicht zertrampeln".

Ob betreffend Konsum, Konjunktur oder Wirtschaftsstandort, im Gesundheitssystem, in der Pflege oder beim Thema soziale Gerechtigkeit - vielfach zeigt sich "das schizophrene Dilemma eines Finanzministers", wie Magnus Brunner (ÖVP) es einst nannte: die Herausforderung, aus guten Gründen mehr Geld zur Verfügung stellen und gleichzeitig sparen zu wollen. Dass das aber auch gelingen hat, hat das Kontext Institut für Klimafragen am Dienstag vorgestellt: wie der Staat seine Ausgaben und zugleich den CO2-Ausstoß mit der Kürzung klimaschädlicher Förderungen senkten könnte und der Industrie Planungssicherheit gibt.

Auf allenfalls einen Hauch Wachstum darf man angesichts der Prognosen hoffen, dazu kommen u.a. die Herausforderungen der grünen Transformation, der demographische Wandel und die massiven Veränderungen, die er mit sich bringen wird und die Wirtschaftslage der EU. Die EU-Kommission hat gegen acht Länder Defizitverfahren eingeleitet, über Österreich wird im Jänner entschieden. Einen Referenzpfad mit konkretem Sparbedarf bekommt Österreich Mitte Dezember.

"Wir wissen aus der Literatur, dass umfangreiche und tiefgreifende Konsolidierungspakete nur dann gelingen, wenn die Situation ernst ist", sagte Wifo-Expertin Margit Schratzenstaller kürzlich in einem Interview mit Der Zeit.

Wie ernst ist die Situation? Wie viel Geld fehlt in der Staatskassa? Hat die Regierung zu viel Geld ausgegeben oder auch ein Problem bei den Einnahmen? Was packt man ins Konsolidierungspaket und wie soll es mit dem Schuldenmachen in dieser Größenordnung weitergehen? Wo darf man nicht sparen, wo muss investiert werden, was braucht eine sozial, wirtschaftlich, klimapolitisch nachhaltige Budgetpolitik?

Ein differenzierter Blick tut not angesichts der zahlreichen Herausforderungen, mahnt Oliver Picek vom sozial-ökologischen Momentum-Institut, der schon im Februar warnte: "Der Steuerplan des Bundeskanzlers ist Harakiri für das Budget".

"Fahrlässig" sei das Budget gewesen, kritisiert der wirtschaftsliberale Think Tank Agenda Austria, der vor Kurzem analysiert hat, "wo die Stellschrauben im Budget zu finden sind, um der Politik Arbeit - und die Suche nach Ausreden - zu ersparen". Ökonom Hanno Lorenz, stellvertretender Direktor, betont: "Wir haben kein Problem bei den Einnahmen, die Ausgaben sind einfach zu hoch."

Als Gäste bei Barbara Zeithammer skizzieren Hanno Lorenz und Oliver Picek die Möglichkeiten und Maßnahmen, die fehlenden Milliarden aufzutreiben und wie immer sind Sie, unsere Hörerinnen und Hörer, sehr herzlich eingeladen, sich an der Diskussion zu beteiligen: Rufen Sie an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie uns an punkteins(at)orf.at

Sendereihe

Gestaltung

  • Barbara Zeithammer

Playlist

Komponist/Komponistin: George Harrison
Titel: Taxman (davon 23 Sek. unterlegt)
Ausführende: The Beatles
Länge: 02:35 min
Label: Apple records

Komponist/Komponistin: Ritchard Porter
Titel: No Wonder Taxes Are High (davon 24 Sek. unterlegt)
Ausführende: Cyril
Länge: 03:03 min
Label: Warner Bros.

Komponist/Komponistin: Joseph Lofthouse
Titel: Taxes (davon 1 Min. 14 Sek. unterlegt)
Ausführende: Joseph Lofthouse
Länge: 03:21 min
Label: Parlophone

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