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Punkt eins
EU-Mercosur: Ein guter Deal für Europa?
Freihandelsabkommen als Instrument der Handelspolitik und was sie wem bringen. Gäste: Elisabeth Christen, PhD, Ökonomin, Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) & Univ.-Prof. Dr. Michael Landesmann, Ökonom, Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche. Moderation: Xaver Forthuber
17. Dezember 2024, 13:00
Anfang Dezember verkündete EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Montevideo den Abschluss der Verhandlungen über die Einrichtung der EU-Mercosur-Freihandelszone. Zwischen der EU und den südamerikanischen Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay sollen demnach vor allem Zölle abgebaut werden - es wäre eine der größten Freihandelszonen der Welt zwischen Staaten mit insgesamt rund 780 Millionen Einwohner:innen, und es ginge um jährliche Exporte und Importe im Wert von 40 bis 45 Milliarden Euro.
Die EU-Kommission verspricht sich (und uns) davon "mehr Arbeitsplätze, mehr Auswahl und mehr Wohlstand", so von der Leyen. Bis zur geplanten Unterzeichnung Mitte 2025 braucht sie aber noch die Zustimmung im Rat der Mitgliedsstaaten. Frankreich, Italien, Polen und auch Österreich sind aber weiterhin skeptisch. Der Zustimmung aus der Industrie steht scharfe - und lautstarke - Kritik von Landwirt:innen, Arbeitnehmervertreter:innen und Umweltschützer:innen entgegen. Jobverluste, Qualitätsminderung und das Untergraben von Umweltstandards sind die größten Befürchtungen.
Ob die Bedenken der Kritiker:innen nun ausgeräumt sind, werde sich erst zeigen, wenn der rechtlich verbindliche Vertragstext vorliegt, heißt es abwartend aus dem österreichischen Wirtschaftsministerium. Die Kommission indessen will bei dem Abkommen, das seit 25 Jahren verhandelt wird, hingegen Tempo machen: "Jahrzehntelang waren wir der Handelspartner Nummer eins mit Lateinamerika, jetzt ist es überall China", mahnte der designierte Handelskommissar Maros Sefcovic auf die Frage einer französischen Abgeordneten.
Weil der Ton auf dem Weltmarkt rauer wird und Europa "kein Interesse an Handelskriegen" haben kann (Sefcovic), setzt die EU seit geraumer Zeit auf eine proaktive Handelspolitik in Form solcher "Free Trade Agreements". Mit 77 Staaten wurden Freihandelsabkommen abgeschlossen, rund die Hälfte davon ist vollständig in Kraft. Doch Verhandlungen mit der oft uneinigen EU sind notorisch kompliziert. So ist eine Einigung mit Indien derzeit nicht in Aussicht - es hakt unter anderem bei den Umweltstandards. Ceta, das Abkommen mit Kanada, wackelt ebenfalls, und TTIP mit den Vereinigten Staaten gilt überhaupt als gescheitert. Die Welthandelsorganisation WTO, die die multilaterale Hüterin des Welthandels sein sollte, ist indessen in wichtigen Bereichen blockiert.
Europas Position auf dem Weltmarkt stärken, den Welthandel ankurbeln, ihn aber gleichzeitig nachhaltig und fair gestalten - geht das überhaupt? Sind Freihandelsabkommen das richtige Instrument dafür und werden sie richtig eingesetzt? Oder handelt es sich überhaupt um eine Strategie "aus dem vergangenen Jahrtausend", wie die Organisation Attac sagte - Wachstumsorientierung ohne Rücksicht auf soziale, geostrategische und klimapolitische Gegebenheiten? Und wie entwickelt sich der Freihandel in anderen Teilen der Welt, während wir in Europa diskutieren?
Elisabeth Christen, Senior Economist am WIFO, und Michael Landesmann, Ökonom und früherer wissenschaftlicher Direktor am Wiener Institut für Wirtschaftsvergleiche, sind Gäste bei Xaver Forthuber. Reden Sie mit: Rufen Sie in der Sendung an unter 0800 22 69 79 oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at
Sendereihe
Gestaltung
- Xaver Forthuber