Wie gerecht ist Gesundheit?

13. Jänner 2025, 13:00

Nachdem die Hausärztin in einer österreichischen Kleinstadt in Pension gegangen war, standen viele ihrer Patient:innen vor einem Problem. Für ihre Kassenarztpraxis wurde kein Nachfolger gefunden und die Räumlichkeiten stehen seither leer. Andere Ordinationen in der Nähe sind überlastet und nehmen nur in Ausnahmefällen neue Patient:innen auf. Jene Personen, die Glück hatten, kamen durch Beziehungen bei einem neuen Hausarzt unter. Wer es sich leisten konnte, entschied sich für eine Wahlarztpraxis, wo zudem schneller Termine zur Verfügung stehen und die Wartezeiten kurz sind. Andere gehen seither gar nicht mehr zum Arzt.

Unterschiedliche Voraussetzungen entscheiden, wie die Menschen ihre Gesundheit pflegen können: der Wohnort bestimmt, welchen Zugang sie zu Fachärzten, speziellen Behandlungen oder teuren Medikamenten haben. Das Einkommen und der soziale Status beeinflussen Faktoren, die gesundheitsfördernd oder -schädigend sein können, etwa die Ernährung und das Bildungsniveau. Darf es diese Unterschiede geben, wenn man davon ausgeht, dass Gesundheit ein Menschenrecht ist?

In völkerrechtlichen Verträgen, die Österreich unterzeichnet hat, ist das Recht auf Gesundheit zwar verankert, allerdings stehe dieses Recht unter dem Vorbehalt verfügbarer Ressourcen, schreibt Karl Stöger, Professor für Medizinrecht an der Universität Wien. In der österreichischen Verfassung ist das Menschenrecht auf Gesundheit nicht explizit zu finden. Dennoch gebe es Mindestgarantien sowie ein Sozialversicherungssystem, das den Zugang zur Gesundheitsversorgung regelt.

Wie gerecht ist Gesundheit wirklich? Wissenschaftler:innen der Universität Wien beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten zu dieser Frage.

Lisa Lehner arbeitet zu Fragen gesellschaftlich-sozialer Gerechtigkeit im Kontext öffentlicher Gesundheits- und Wissenschaftspolitik. Zu den zentralen Themen ihrer Forschungen zählen das Erleben und die strukturellen Bedingungen von "Gesund-Sein"; sie untersucht Bedeutung, Geschichte und Grenzen der Wohlfahrtsstaatlichkeit und befasst sich mit unterschiedlichen Marginalisierungstendenzen im Gesundheitssystem, zum Beispiel in den Bereichen Sucht, Wohnungslosigkeit, illegalisierte Migration oder LGBTQIA+ Personen.

Lukas Kaelin befasst sich als Philosoph und Medizinethiker in seinen Arbeiten mit grundlegenden medizinethischen Entscheidungen ebenso wie mit Fragen von Migration und Kultur in der Medizin, wo er beispielsweise fragt, wie Patientinnen und Patienten im Gesundheitswesen behandelt werden und wie im Gesundheitssystem Menschen und Maschinen zusammenwirken.

Wie kann es sein, dass es in einem Gesundheitssystem, das im internationalen Vergleich gut abschneidet, dennoch Versorgungslücken und Ungleichheiten gibt? Welche Vorschläge zur Verbesserung gibt es aus medizinethischer Sicht? Welche Perspektiven gibt es in Österreich für die Umsetzung dieser Vorschläge?

Reden Sie mit: Rufen Sie an unter 0800 22 69 79 (kostenfrei aus ganz Österreich) oder schreiben Sie ein E-Mail an punkteins(at)orf.at

Service

Lisa Lehner
Health Matters

Lukas Kaelin:
Ist der Patient ein Mensch? Berlin et al: LIT Verlag, 2015 (zusammen mit Helmut Hofbauer, Hendrik Jan Ankersmit, Walter Feigl).
Autonomie und Macht. Interdisziplinäre Perspektiven auf medizinethische Entscheidungen, Göttingen: Edition Ruprecht, 2014 (zusammen mit Reiner Anselm, Julia Inthorn und Ulrich Körtner).

Sendereihe

• Punkt eins