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Gedanken für den Tag
Zug nach Auschwitz
Anna Goldenberg, Journalistin und Autorin, zum 80. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz.
31. Jänner 2025, 06:57
In Auschwitz, dessen Befreiung sich am 27. Jänner zum 80. Mal jährte, war meine Großmutter nie. Das hat sie ihrem gesunden Schlaf zu verdanken. 1944 stand sie nämlich auf einer Transportliste, um von Theresienstadt in das Vernichtungslager deportiert zu werden. Sie wusste nicht, wo es hinging, vielleicht in ein Arbeitslager, mit mehr zu essen.
Am Abfahrtstag hat es lange gedauert, bis alle Menschen in den Zug eingestiegen sind. Helga hatte eine hohe Transportnummer und ist beim Warten müde geworden. Also hat sie sich auf eine leere Pritsche in der Baracke gelegt. Als sie aufwachte, war der Zug weg.
Soweit ich weiß, hat Helga Auschwitz auch später nie besucht. Aber sie ist nach Theresienstadt zurückgekehrt, einmal mit mir gemeinsam. 2013 war das. Ich habe damals eine Reportage über den Besuch geschrieben. Das Magazin, in dem sie erschienen ist, hat Helga aufgehoben. Ich finde es nun in einer Schublade.
Ihren Enthusiasmus werde ich nie vergessen. Es war ihr wichtig, mir diese Orte ihrer Jugend zu zeigen. Vor jedem Haus hat sie angestrengt nachgedacht, was damals dort war.
Ohne Zeitzeugen wie Helga werden solche Gedenkorte immer wichtiger. Ich hatte vor unserer Reise schon viel über Theresienstadt gelesen. "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt", hieß es in der Nazi-Propaganda. Aber erst, als ich durch die ehemalige Garnisonsstadt gegangen bin, habe ich verstanden, wie perfide das Konzept war.
Es sieht wirklich aus wie eine Stadt. Die Baracken sind wuchtig, die Stadtmauern ebenso. Und umgeben ist es von den Feldern, auf denen meine Großmutter schuften musste. Dort ist sie im Mai 1945 den sowjetischen Soldaten um den Hals gefallen, die sie nach zweieinhalb Jahren Gefangenschaft befreit haben.
Service
Buch, Anna Goldenberg, "Versteckte Jahre. Der Mann, der meinen Großvater rettete", Zsolnay Verlag
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Sendereihe
Gestaltung
Übersicht
Playlist
Komponist/Komponistin: Zbigniew Preisner geb.1955
Gesamttitel: ELISA / Original Filmmusik
Titel: Nocturne I/instr.
Orchester: Sinfonia Varsovia
Leitung: Zdzislaw Szostak
Länge: 02:29 min
Label: Philips 5267502